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iPad Pro 2018: Wenn Apple denn liefern würde…

Dem neuen iPad Pro kann technologisch nichts vorgeworfen werden. Doch mit dem iPad Pro 2018 leistet sich Apple einige gravierende Schnitzer. Und ja, der Preis ist einer davon.

Ich schalte mein neues iPad Pro ein.

Die 2018er-Version, versteht sich. Die heisst natürlich nicht offiziell iPad Pro 2018, da Apple keine anständige Versionierung ihrer Geräte macht. Ist halt nicht für Techies. Oder so. Nur dass das Pro halt eben doch für Techies ist. Ich werde jetzt schon zynisch. Das kann mir ja ein heiteres Review werden.

Ich habe also zu Testzwecken über 2000 Stutz in Technologie auf meinem Tisch. Ein iPad, eine Tastatur für besagtes iPad und einen Stift.

Das Display, eines der in Marketingsprech USP (neudeutsch ausgesprochen «Ju Ess Pii») genannten Features des Geräts sieht zwar verdammt gut aus, ist jetzt aber nicht der angekündigte Quantensprung in Bildschirmtechnologie. Mir wird aber bald klar, warum Apple dermassen mondäne Features als USP verkaufen will. Da ist einfach nichts wirklich, das revolutionär neu ist. Noch nicht.

Wo bleibt meine Revolution?

Der Grund für den Test ist einfach erklärt. Ich habe zwei Fragen an das Gerät:

  1. Wie gut funktioniert die neue, für Tablets zugeschnittene Photoshop-Version?
  2. Ersetzt das iPad jetzt endlich den Laptop? Denn Apple behauptet das ja schon seit gefühlten Ewigkeiten, macht aber fröhlich weiter Laptops.

Die Sache mit Photoshop ist der Hauptgrund meines Tests. Seit ich anno plusminus 2001 Photoshop für mich entdeckt habe, ist das Programm nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken. Seit Photoshop 6.0 bin ich dabei, teste jede neue Version und rege mich immer über die horrenden Preise auf. Klar, dass ich die Photoshop Version für iPads testen muss. Schau dir einfach mal das Video oben an. Wie kann ich da widerstehen?

Nachdem ich also alle Apps, die ich eh nie brauchen werde, in einen /dev/null-Ordner verschoben habe – bei Apple muss ich das immer so machen – werfe ich also meinen App Store an. Nur, dass da drei Shop Apps sind.

  1. App Store: Den App Store, den ich will
  2. iTunes Store: Apple Music aber in antik?
  3. Apple Store: Eine lustige Werbe-App, die mir sagt, was alles so in meiner local Genius Bar abgeht. Fuck off.

Ich weiss zwar, welchen Store ich brauche, aber ich find es doch etwas daneben, dass Apple mit ihrer sonst so clever durchstrukturierten Software-Palette drei Store Apps braucht. Wenn du noch weitere Einkaufs-Apps willst, dann ist da noch die Music-App, die im Wesentlichen das Spotify Apples ist. Ausser dass U2s Album «Songs of Innocence» immer noch mitinstalliert wird.

Auch seltsam ist, dass sich das iPad in den Einstellungen manchmal als iPhone bezeichnet. Gut, auf iPads und iPhones läuft die exakt gleiche Software so weit ich das feststellen kann und da kann das ja mal vorkommen. Nehm ich dem Teil nicht übel. Dass ich 18 Apps nach /dev/null verschieben muss hingegen schon. Denn nur die wenigsten vorinstallierten Apps sind tatsächlich solche, die ich verwende. Da sind genau zwei:

  1. Files: Der Finder für iOS
  2. Camera: Die Kamera

Die Apps installieren schnell und natürlich problemlos. SnowHaze als anonymen Browser, Spotify, die Google Produktpalette… nur Photoshop finde ich nicht.

Die App kommt erst in ein paar Monaten. Na, das ist ja ganz bezaubernd. Da klatsche ich mir 2000 Stutz Equipment auf den Tisch von einem Hersteller, von dem ich mir gewohnt bin, dass einfach alles funktioniert und vorhanden ist, und dann sowas. Apple und Adobe, das ist echt unsportlich. Gut, dann kommt der Test dann noch. Später.

iPad ohne Photoshop: Was bleibt?

Das Problem kommt dann auf, wenn ich halt mehr will. Das iPad Pro hat locker die Kraft, Videos zu schneiden oder Bilder zu editieren. Aber da ich halt das Lock-in mit iOS habe, kann ich das nicht, da keine App dazu existiert. Windows und macOS haben beide die Creative Cloud, auf iOS gibt es nur die abgespeckten Versionen, die so mehr herzig als nützlich sind. Das ist dem iPad unwürdig.

Der Pen, der eigentlich ganz nett ist

Den Stift nutze ich auf dem iPad lustigerweise die ganze Zeit. Es ist nett, wenn ich im Betriebssystem navigieren kann, ohne dass ich Fingerabdrücke auf dem Bildschirm hinterlasse. Ausser halt, dass der grosse Swipe nach oben, der mit dem Balken von unten, der zum Home Screen führt, nicht mit dem Pencil zu funktionieren scheint. Generell kannst du mit wenigen Ausnahmen nichts machen, was du mit dem Finger nicht auch könntest. Ausser natürlich zeichnen.

Yup, ich habe Apples 2000 Franken Hardware dazu verwendet, mein Säuli zu zeichnen. Bestes Säuli ever? I think so! Viel mehr kann ich damit leider nicht tun. Ich kann in GDocs rumtippen, alle Apps, die du vom iPhone her kennst, nutzen und im Wesentlichen habe ich ein iPad, wie das vom vergangenen Jahr.

Apple, ich will mehr. Ich weiss, dass da mehr geht. Ich merke es dem iPad Pro an. Aber lasst mich doch bitte machen. Gebt mir Werkzeuge, gebt mir etwas, womit ich das iPad so richtig plagen kann. Ich will doch nicht dasselbe Erlebnis haben wie das vom vergangenen Jahr.

In eigener Sache: Warum ich so enttäuscht bin

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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