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«Hyrule Warriors: Chronik der Versiegelung» im Test: ein Action-Spektakel für Hardcore-Fans

Mit «Chronik der Versiegelung» kehrt die «The Legend of Zelda»-Spinoff-Reihe «Hyrule Warriors» zurück. Das chaotische Hack-and-Slash-Game ist vor allem für Hardcore-Fans von «Tears of the Kingdom» interessant – aber nur, wenn du dich mit dem chaotischen Gameplay anfreunden kannst.

Wie die Zeit vergeht. Schon zweieinhalb Jahre ist es her, seit ich mich in der riesigen Spielwelt von «The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom» verloren habe. Ich denke immer noch gerne zurück an all die epischen Abenteuer, die ich im Open-World-Meisterwerk bestritten habe.

Könnte ich doch nur in der Zeit zurückreisen und das Ganze nochmal erleben.

Offenbar hat Nintendo meine Gedanken gelesen, denn «Hyrule Warriors: Chronik der Versiegelung» schickt mich wortwörtlich in die Vergangenheit. In dem Spinoff reise ich mit Prinzessin Zelda ins antike Hyrule und erlebe, was sie während der Handlung von «Tears of the Kingdom» so angestellt hat.

Dir gefällt die Idee? Dann könnte das Spinoff etwas für dich sein. Aber Achtung – das chaotische und teilweise stumpfe Hack-and-Slash-Gameplay hat kaum etwas mit «Tears of the Kingdom» zu tun. Nachfolgend erfährst du, wie sich «Chronik der Versiegelung» vom Hauptspiel unterscheidet – und ob sich ein Abstecher in Hyrules Vergangenheit für dich lohnt.

Was zum Teufel ist eigentlich «Hyrule Warriors»?

Falls dir die «Hyrule Warriors»-Reihe nichts oder nur wenig sagt, musst du dich auch als «Zelda»-Fan nicht schämen. Die Spinoff-Serie fristet im Vergleich zu den Hauptspielen seit jeher ein Schattendasein.

Angefangen hat alles 2014 mit dem ersten «Hyrule Warriors» auf der Wii U. Es folgten zwei erweiterte Versionen für den 3DS (2016) sowie die Switch (2018). 2020 kam das an «Breath of the Wild» angelehnte «Hyrule Warriors: Zeit der Verheerung». Und nun erscheint mit «Chronik der Versiegelung» der neueste Ableger – exklusiv für die Switch 2.

Die Reihe vereint Elemente aus den «The Legend of Zelda»-Hauptspielen mit dem Gameplay-Konzept der langjährigen Hack-and-Slash-Serie «Dynasty Warriors». Auch dieser Name sagt dir nichts? Kein Wunder. Die chaotischen Action-Games von Koei Tecmo sind vor allem in Japan beliebt und haben sich im Westen noch nicht durchsetzen können.

Das Spielprinzip von «Dynasty Warriors» ist simpel. Vor dem Hintergrund historischer Schlachten im alten China kämpfe ich als übermächtiger Soldat gegen Hunderte von Gegnern gleichzeitig.

Für die «Hyrule Warriors»-Spiele wurde der China-Kontext mit der Welt von «The Legend of Zelda» ausgetauscht und das chaotische Gameplay an die Charaktere aus Nintendos Fantasy-Universum angepasst.

Um was geht es im Game – und musst du die Vorgänger gespielt haben?

«Hyrule Warriors: Chronik der Versiegelung» erweitert Prinzessin Zeldas Geschichte aus «Tears of the Kingdom». Es lohnt sich, die Geschichte der «Breath of the Wild»- und «Tears of the Kingdom»-Saga vor dem Spielbeginn aufzufrischen, damit du das Storytelling in «Chronik der Versiegelung» in vollen Zügen geniessen kannst.

Ein kleiner Refresh, falls du Zeldas Handlungsbogen nicht mehr im Kopf hast: Die Prinzessin reist durch einen Angriff des mumifizierten Ganondorf 10 000 Jahre in die Vergangenheit zurück. Dort trifft sie auf Rauru und Sonia – den ersten König und die erste Königin Hyrules.

Verzweifelt sucht die Prinzessin nach einem Weg zurück in die Zukunft, um Link im Kampf gegen Ganondorf zu helfen – ohne Erfolg.

Gefangen in der Vergangenheit wird sie Zeugin, wie der Dämonenkönig an Macht gewinnt und Hyrule terrorisiert. Sie kämpft zusammen mit Rauru und weiteren Verbündeten im Königreich gegen Ganondorfs Schergen und erlebt hautnah mit, wie der Bösewicht schliesslich für 10 000 Jahre versiegelt wird – daher auch der Name «Chronik der Versiegelung».

Die Story wird mit aufwändig produzierten und hervorragend vertonten Zwischensequenzen erzählt. Sie sind für mich das Highlight des Spiels. Es wärmt mein Zelda-Herz, wieder in diese einzigartige Welt eintauchen zu können und so viele vertraute und neue Gesichter in ikonischen Locations aus «Tears of the Kingdom» zu sehen.

Und dann noch diese epische Musik. Und all die kleinen Soundeffekte, die sich durch Hunderte von Stunden Spielzeit mit «Breath of the Wild» und «Tears of the Kingdom» in mein Hirn gebrannt haben.

Das Nostalgiezentrum meines Primatengehirns wird am laufenden Band belohnt. Herrlich.

Gemäss Nintendo soll die Story offiziell zum «Tears of the Kingdom»-Kanon gehören. Ganz im Gegensatz zum «Hyrule Warriors»-Vorgänger «Zeit der Verheerung», der mit einer Zeitreise-Geschichte und alternativen Timelines Verwirrung gestiftet hat.

Beim Spielen bin ich jedoch skeptisch. Nicht zuletzt, weil das «Mysteriöse Konstrukt» eine grosse Rolle in der Handlung spielt. Das sieht wie Link aus, bewegt sich wie Link und verhält sich wie Link. In «Tears of the Kingdom» wurde das Ding nie erwähnt. Ist das etwa wieder so eine «Was wäre wenn»-Story ohne Konsequenzen?

Nachdem ich das epische Finale des Spiels gesehen habe, kann ich Entwarnung geben. Die Ungereimtheiten werden auf eine überraschend emotionale Art und Weise erklärt und in die übergreifende Lore von «Tears of the Kingdom» eingebettet.

Einige offene Fragen bleiben für mich aber. Ich freue mich schon auf die mehrstündigen Theorie-Videos, in die ich nach Launch eintauchen werde, um alles zu verstehen.

Wie spielt sich «Chronik der Versiegelung» im Vergleich zu «Tears of the Kingdom»?

Vom Spielfluss her hat das neue «Hyrule Warriors» kaum etwas mit «Tears of the Kingdom» zu tun. Ich erkunde keine zusammenhängende Spielwelt. Es gibt keine Rätsel, keine Quests, keine Dungeons. Stattdessen navigiere ich mich auf einer Übersichtskarte durch Dutzende von Massenschlachten, die zwischen fünf bis 30 Minuten dauern, und befreie besetzte Gebiete von Ganondorfs Schergen.

Vor jeder Schlacht wähle ich bis zu vier Charaktere, zwischen denen ich während des Kampfs frei hin- und herwechseln kann.

Zwischen den Schlachten schalte ich auf der Übersichtskarte immer wieder neue Fähigkeiten für meine Charaktere frei oder verbessere ihre Waffen. Die Upgrades zahle ich mit Ressourcen, die ich während der Kämpfe sammle.

Im Vergleich zu «Tears of the Kingdom» muss ich mir übrigens keine Sorgen machen, dass meine Waffen irgendwann kaputtgehen – yay!

Der Gameplay-Loop – kämpfen, Ressourcen sammeln, Upgrades kaufen, kämpfen – erfordert viel Routinearbeit. Das Game fühlt sich bisweilen wie das Abarbeiten einer To-do-Liste an, bei der ich nur langsam Fortschritte mache – manchmal auch Rückschritte, wenn bereits eroberte Gebiete wieder angegriffen werden und verloren gehen.

Das ist kein Kritikpunkt, im Gegenteil. Für mich hat die Repetition sogar etwas Meditatives. Wenn dir Fleissarbeit in Games nicht gefällt, wirst du mit «Chronik der Versiegelung» jedoch nicht glücklich werden.

Und wie funktioniert das Kampfsystem?

Jeder Charakter greift mit normalen Attacken (Y-Knopf) und starken Attacken (X-Knopf) an. Je nach Spielfigur und ausgerüsteter Waffe löse ich mit verschiedenen Attackenkombinationen unterschiedliche Angriffe aus.

Es macht Spass, mit den Spielstilen der Charaktere zu experimentieren und herauszufinden, welche Combos bei welchem Charakter mit welcher Waffe am meisten fetzen.

Ich liebe es, mit Prinzessin Zelda Lichtenergie zu verschiessen und Monster aus der Entfernung zu killen. Oder mich mit König Rauru und seinem Speer wie ein Rammbock durch Gegnerhorden zu bohren. Mein Liebling ist aber der Gorone Pastos, der mit seinem riesigen Zweihänder Feinde meterweit durch die Luft schleudert. Dass er immer wieder «CRUSH YOU!» schreit und ich dabei «FUCK YOU!» verstehe, ist ein netter Bonus.

Generell ist die Charakterauswahl sehr gelungen. Alle grossen Völker Hyrules sind als spielbare Charaktere vertreten. Menschen, Sonau, Goronen, Orni, Zora – ja sogar ein kleiner, süsser Krog hat es in das Line-up geschafft. Mit dem winzigen Baumwesen meterhohe Hinox zu bezwingen, sieht einfach verdammt lustig aus.

Die Attacken-Kombos werden mit dem Einsatz von verschiedenen Sonau-Bauteilen ergänzt, die ich aus «Tears of the Kingdom» kenne. So kann ich mit dem Flammenwerfer Feinde verbrennen oder sie mit dem Frostwerfer einfrieren. Einige Charaktere beherrschen auch die Synthesefähigkeit – das heisst: Ich kann bestimmte Items mit Waffen verbinden, um noch mehr Schaden anzurichten.

Toll ist auch, dass das Physik-Sandkasten-Konzept aus «Tears of the Kingdom» adaptiert wurde. Setze ich den Blitzwerfer im Wasser ein, schockiere ich alle Feinde in der Umgebung. Kombiniere ich Feuer mit Wirbelattacken der Orni, entstehen verheerende Feuertornados, die über das Schlachtfeld ziehen. Geil.

Während ich Gegner vermöble, füllen sich zudem eine Spezialangriffsleiste und neu auch eine Synchronangriffsleiste. Mit erster führt meine Spielfigur einen mächtigen Solo-Angriff aus. Mit zweiter löse ich einen noch mächtigeren Angriff im Zusammenspiel mit einer weiteren Spielfigur aus, die sich gerade in der Nähe befindet. Auch hier gibt es unzählige Kombinationsmöglichkeiten, mit denen ich experimentieren kann.

Die meisten Gegner auf dem Schlachtfeld fege ich easy mit einigen Angriffen weg. Immer wieder stellen sich mir jedoch grössere Brocken in den Weg – in diesen Momenten glänzt das Kampfsystem am meisten. Die Mini-Bosse haben eine Blockleiste, die ich durchbrechen muss, damit ich mit verheerenden Schmetterangriffen viel Schaden anrichten kann.

Um ihre Abwehr zu durchdringen, setze ich mein gesamtes Moveset und Arsenal ein. Ich gebe ihnen keine Zeit für Gegenangriffe, keine Zeit zum Atmen. Flammenwerfer hier, Spezialangriff da, Synchronangriff dort. Es passiert so unglaublich viel auf dem Bildschirm und trotzdem behalte ich den Durchblick. Ich bin im Flow-Zustand mit Tunnelblick, bis der Bastard am Boden liegt.

Trotz der vielen Optionen und Möglichkeiten im Kampf schleichen sich mit zunehmendem Spielverlauf Ermüdungserscheinungen bei mir ein. Ja, das sieht alles super cool aus. Aber egal in welcher Schlacht, egal auf welcher Map, ich mache immer dasselbe: Hunderte von Bokoblins, Moblins und weiteres Gesocks vermöbeln. Immer und immer wieder.

Leider ist das Game für meinen Geschmack auch viel zu leicht, selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe. Mit zunehmendem Spielverlauf fühle ich mich regelmässig overleveled und komme immer seltener in den zuvor beschriebenen Flow-Zustand, in dem ich alles geben muss, um schwierige Bosse zu bezwingen. Mein Hirn schaltet auf Autopilot und ich gebe mir keine Mühe mehr. Schade.

«Chronik der Versiegelung» ist ein Switch-2-Game – sieht es gut aus?

Insgesamt ist das Game visuell eine grosse Enttäuschung – so sollte ein Switch-2-Exklusivtitel nicht aussehen. Die Bildqualität leidet an einer niedrigen Auflösung und teils extremem Kantenflimmern. Die Spielumgebungen wirken mit verwaschenen Texturen, eckigen Objekten und wenigen Details trostlos. Zudem enttäuscht das Game mit einer schlechten Weitsicht – ständig tauchen Gegner und Verbündete aus dem Nichts auf oder verschwinden wieder.

Gerade im Vergleich zu den knackscharfen Nintendo-Switch-2-Editionen von «Breath of the Wild» und «Tears of the Kingdom» sieht das neue «Hyrule Warriors» trist aus. Fairerweise muss man sagen, dass es in den Hauptspielen nie so viele Gegner gleichzeitig auf dem Bildschirm hat.

Immerhin läuft das Spiel mit 60 FPS konstant flüssig. Im lokalen Splitscreen-Modus für zwei Spieler muss ich mich mit 30 FPS zufriedengeben. Möglich wäre Koop auch via Gameshare und Online – diese Funktionen habe ich nicht getestet.

«Hyrule Warriors: Chronik der Versiegelung» ist ab dem 6. November erhältlich für die Nintendo Switch 2. Das Game wurde mir zu Testzwecken von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Fazit

Ein Must-Play für Hardcore-Fans

«Hyrule Warriors: Chronik der Versiegelung» ist ein gelungenes Dessert nach einem üppigen «Tears of the Kingdom»-Hauptgang. Wäre der süsse, nostalgische Abschluss unbedingt nötig gewesen? Nein – und trotzdem habe ich meine Zeit (rund 27 Stunden bis zum Abspann) mit dem chaotischen Hack-and-Slash-Spinoff genossen.

Das Game ist vor allem für grosse Zelda-Fans interessant, die noch tiefer in die Welt und Lore von Nintendos Fantasy-Universum eintauchen wollen. Aber Achtung: Spielerisch hat das chaotische Action-Game wenig mit «Tears of the Kingdom» zu tun. Um den Titel zu geniessen, musst du dich mit der repetitiven Spielstruktur und der mauen Grafik anfreunden können. Schaffst du das, erwarten dich epische Schlachten mit einem umfangreichen Kampfsystem.

Pro

  • spannend inszenierte Geschichte
  • umfangreiches Kampfsystem
  • gelungene Charakterauswahl
  • clevere Adaption von Gameplay-Elementen aus «Tears of the Kingdom»

Contra

  • repetitive Spielstruktur
  • zu niedriger Schwierigkeitsgrad
  • maue Grafik
Titelbild: Nintendo

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


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