Produkttest

Fujifilm GFX 100 II im Test: das ultimative Werkzeug

Die neue Mittelformat-Kamera von Fujifilm ist die fortschrittlichste ihrer Art. Wie ihr Vorgängermodell hat sie eine Auflösung von 100 Megapixel. Einige andere Dinge haben sich entscheidend verbessert.

Mittelformat-Kameras waren lange wie alte Ferraris: schön und leistungsfähig, aber auch wahnwitzig teuer, fehleranfällig und ohne Assistenzsysteme. Beeindruckende Maschinen für Profis, die damit umgehen können – luxuriöse Spielzeuge für alle anderen.

Nun hat Fujifilm das Nachfolgemodell vorgestellt. Die GFX 100 II ist keine Revolution mehr, sondern eine Evolution. Dank neuem Formfaktor ohne fixen vertikalen Griff spricht sie aber ein breiteres Publikum an als ihre Vorgängerin. Dazu trägt auch der tiefere Preis von knapp 7600 Franken bei – 4400 weniger als die GFX 100 bei Marktstart und auch weniger als die Hasselblad X2D aktuell.

Zusammen mit der Kamera haben die Japaner auch drei neue Objektive präsentiert: Das Fujinon GF 55mm f/1.7 WR ist eine lichtstarke Normalbrennweite. Viel interessanter sind aber Fujifilms erste Tilt-Shift-Objektive – das Fujinon GF 30mm f/5.6 T/S und das Fujinon GF 110mm f/5.6 T/S Macro. Mit ihnen dürfte das GFX-System für Architektur- und Produktfotografie sehr attraktiv werden.

Bereits vor dem Release hat Fujifilm mir je ein Testexemplar der GFX 100 II und des Fujinon GF 55mm f/1.7 WR zur Verfügung gestellt. Die Hardware war bereits final, die Firmware noch nicht. Das bedeutet: Kleinere Dinge könnte der Hersteller bis zur Auslieferung noch verbessern. Ich weise an den entsprechenden Stellen darauf hin.

Design und Spezifikationen: geschrumpftes Monster

Die Fujifilm GFX 100 II sieht aus wie ein Werkzeug. Ihre Ästhetik passt in ein Studio zwischen Blitzgeräte und Leuchtenstative. Das Gehäuse besteht aus einer Magnesiumlegierung, die mit Kunststoff geschützt wird. Mit den nötigen Objektiven ist das Mittelformat-System insgesamt weiterhin sperriger als eine Vollformat-Kamera. Auch wenn der Body alleine nicht viel grösser ist.

Vorne und auf der Seite ist die GFX 100 II mit einem strukturierten Gummi überzogen. Es bietet besseren Halt als das glattere Material der Vorgängerin. Der Griff ist gross und liegt auch nach mehreren Stunden bequem in meiner mittelgrossen Hand. Laut Fujifilm ist die Kamera wetterfest, was ich wegen der sauberen Verarbeitung auch glaube. Eine offizielle IP-Zertifizierung fehlt allerdings.

Den Verzicht auf den vertikalen Griff finde ich eine gute Entscheidung. So ist die Kamera kompakter und fast 400 Gramm leichter – wenn auch nicht ganz so leicht wie die GFX 100S, die nochmal rund 100 Gramm weniger wiegt.

Hier die wichtigsten Spezifikationen im Überblick:

Im Gehäuse steckt erneut ein rückseitig beleuchteter CMOS-Sensor mit einer Grösse von 43,8 × 32,9 Millimetern. Es handelt sich um eine überarbeitete Version des Vorgängers, die weiterhin mit 100-Megapixel-Auflösung kommt. Dank besseren Photodioden und Kupferleitungen soll mehr Dynamikumfang drin liegen.

Bedienung: komplex, dafür wandelbar

Diese Individualisierbarkeit bedeutet, dass die Bedienung der neuen GFX anfangs nicht besonders intuitiv ist. Ich muss mich einarbeiten. Muss Räder und Knöpfe belegen. Die Kamera ausführlich konfigurieren. Die erfreuliche Kehrseite daran: Nachher passt mir die Bedienung perfekt.

Oben auf dem Gehäuse prangt ein gigantisches Top-Display. Es zeigt in Schwarz-Weiss die wichtigsten Aufnahmeparameter an, auch wenn die Kamera ausgeschaltet ist. Während der Aufnahme kann ich stattdessen wahlweise ein Live-Histogram anzeigen lassen. Da das Display ziemlich stark nach hinten geneigt ist, kann ich auch während des Fotografieren einen Blick drauf werfen, ohne die Kamera ganz abzusetzen.

Sucher und Display: Spitzenklasse

Insgesamt gehört der Sucher der GFX 100 II zu den besten, die es gibt. Die Grösse des Bildes kann ich stufenweise skalieren. Auch wenn dabei die Auflösung sinkt, ist das ein Segen für Brillenträger wie mich: Ich kann das Auge nicht so nahe an den Sucher drücken wie Leute ohne Brille. Das bedeutet, dass ich in vielen Suchern nicht bis in die Ecken sehe.

Beim 3,2-Zoll-Display auf der Rückseite hat sich nichts getan. War auch nicht nötig, denn die Auflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten ist gut und die Helligkeit passt auch. Das Display ist zwar auf zwei Seiten neigbar, ausklappen kann ich es aber nicht. Schade, aber nicht so schlimm für eine Kamera, die nicht für Vlogging gedacht ist.

Autofokus: nicht perfekt, aber ein Meilenstein

Die Achillesferse des Mittelformats war stets der Autofokus. Die GFX 100 II ändert das. Zwar wird auch mit ihr nie jemand an den Olympischen Spielen fotografieren, dafür ist sie zu langsam. Für andere Anwendungen wie Portraitfotografie hat Fujifilm aber einen Meilenstein gelegt: Die GFX 100 II hat als erste Mittelformat-Kamera einen Autofokus, den ich als ausgereift und auch für bewegte Objekte als alltagstauglich bezeichnen würde.

Einzig im Gegenlicht eines Fensters ist das Tracking manchmal verwirrt und erwischt den pinken Stuhl statt das Auge von Kollegin Michelle Brändle. Dagegen hilft ein Wechsel zu einer einzelnen Autofokus-Zone, die ich ungefähr aufs Gesicht lege. Damit wird wieder jedes einzelne Bild scharf, selbst mit grosser Blende. Das ist beeindruckend und sehr nützlich. Es lässt mir mehr Raum, um mich aufs Licht, die Komposition und die Person zu konzentrieren.

Die Tracking-Modi für Tiere, Autos und so weiter habe ich nicht ausprobiert. Bei generischen Objekten gefällt mir die Automatik nicht so gut. Sie errät irgendwie nie, was ich gerne scharf hätte. Dabei handelt es sich um anekdotische Evidenz – doch mein Referenzsystem von Sony scheint intelligenter zu sein. Mit der GFX 100 II wechsle ich abseits von Menschen lieber zu einem manuellen Fokus-Feld.

Auch dann sind Vollformat-Kameras schneller und entschlossener. Der Autofokus von Fujifilms grossem Brummer jagt manchmal etwas, bevor er sitzt. Nicht über jeden Zweifel erhaben ist er besonders im kontinuierlichen Modus. Immerhin gibt es diesen überhaupt, was sich bei der Konkurrenz von Hasselblad nicht behaupten lässt. Und es ist möglich, dass Fujifilm mit der finalen Firmware noch Dinge am Autofokus verbessert.

Bildqualität: traumhaft

Entschuldige bitte, dass der Nerd in mir kurz ausflippt: Der Sensor der Fujifilm GFX II ist für Fotografie ein Traum! Herausragend in jeglicher Hinsicht. Die Dateien fühlen sich in der Bildentwicklung an, als hätten sie mehr Tiefe als solche aus Vollformat-Kameras. Das klingt esoterisch, ist es aber nicht. Es gibt rationale Gründe für diese Wahrnehmung:

Als groben Test fotografiere ich mich im Gegenlicht vor einer hell bestrahlten Wand. Tatsächlich kann ich mit der GFX 100 II ein paar Details mehr in dunklen und hellen Bereichen gleichzeitig rausholen als mit der Vorgängerin. Etwa im Zentrum des Lichtkegels und im Gesicht. Auch Farben bleiben in den Schatten besser erhalten.

Ansonsten sehe ich keinen Unterschied zwischen dem neuen Sensor und seiner «alten» Version in der Fujifilm GFX 100 und GFX 100S. Das macht nichts. Auch diese Kameras lieferten schon bombastische Bildqualität. Ob du das im Alltag wirklich brauchst, hängt vom Anwendungsgebiet ab. Spass machen die Raw-Dateien auf jeden Fall. Du benötigst aber genügend Rechenpower für die Bildbearbeitung und viel Speicherplatz: Ein unkomprimiertes Bild ist über 200 Megabyte gross.

Video: gut, aber andere sind besser

Wie sieht das bei der GFX 100 II aus? Sie kann 8K mit bis zu 30 FPS in 10 bit 4:2:2. Die Bildqualität ist in dieser Auflösung kann sich mit anderen 8K-Kameras messen. Fujifilms flaches F-Log2-Farbprofil fängt viel Dynamikumfang ein. Ich kann die Aufnahmen mit LUTs entweder in Rec.709 oder Eternea konvertieren. Mit letzterem erhalten die Hauttöne einen warmen Farbton, der mir gut gefällt.

Willst du primär filmen, gibt es unter dem Strich bessere Kameras als die GFX 100 II. Doch für gemischte Projekte eignet sie sich gut. Zum Beispiel, wenn du Portraits schiessen und zusätzlich ein Interview filmen möchtest.

Fazit: ausgereifte High-End-Kamera

Im Vergleich mit der Vorgängerin ist die Kamera handlicher und hat trotzdem eine ausgefeilte Bedienung. Diese braucht wegen ihrer Komplexität etwas Einarbeitung. Dafür lässt sie sich an individuelle Vorlieben anpassen. Eine Freude sind zudem die gute Ergonomie, das gigantische Top-Display und der hochauflösende elektronische Sucher.

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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