

Endlich auch ohne Fingernägel steuerbar: Thumby Color im Test

Der Thumby Color sieht wie ein winziger Klon eines Game Boy Advance aus. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Thumby geht die Bedienung auch ohne Fingernägel. Neu sind auch Farbdisplay, Lautsprecher und Rumble-Funktion.
Kaufst du dir einen TinyCircuits Thumby oder den neuen Thumby Color, bekommst du Schlüsselanhänger, Handheld und programmierbares Spielzeug in einem. Die neue Color-Variante bietet als grösste Neuerung, angenehm stark leuchtende 16 384 Farbpunkte auf einem klitzekleinen Display in Daumennagelgrösse.

Es ist die wohl kleinste, an den Nintendo Game Boy Advance angelehnte, Spielkonsole. Und definitiv die kleinste, die sich gerade noch ohne Fingernägel bedienen lässt.
Was kann der farbige Däumling und welche Games funktionieren?
Was beide «Däumlinge» nicht können, ist Spiele emulieren. Du kannst keine GB, GBC oder GBA ROMs draufladen und Original-Nintendo-Spiele zocken. Dafür gibt es in der Programmiersprache MicroPython erstellte Spiele aus dem Netz – oder aus der eigenen Feder. Für Spiele fremder Plattformen fehlt dem Teil ein Emulator und die Leistung.

Der Thumby Color wird durch eine Raspberry Pi RP2350 CPU (Dual Core, 150-300 MHz) angetrieben. Der stehen 520 Kilobyte Arbeitsspeicher und 16 Megabyte Flash-Speicher zur Seite. Gegenüber dem Vorgänger mit Schwarz-Weiss-OLED-Display taktet der Prozessor im Farbdäumling höher und verfügt über eine Gleitkommaeinheit (FPU).

Die grösste Neuerung ist allerdings das 0,85 Zoll grosse 16-Bit TFT-Farbdisplay mit sage und schreibe 128 × 128 Pixel. Es ist recht hell und kann in der Software der Konsole heruntergeregelt werden. Bei den Tasten hat sich ebenfalls einiges getan. Wo der Thumby nur über ein Steuerkreuz und zwei Action Buttons verfügt, hat der Color zusätzlich zwei Schultertasten und eine Menütaste erhalten. Ebenfalls neu sind eine Batterie-LED, ein Lautsprecher und ein Rumble-Motor. Letzterer vibriert relativ stark – etwa bei einem Game Over in «Bust a Thumb».

Zur Datenverbindung und zum Aufladen dient ein USB-C-Port an der Unterseite – fortschrittlich, zumal der Vorgänger über Micro-B-USB verfügt. Daneben ist ein winziger Power Switch angebracht. Über vier Schrauben auf der Rückseite kommst du mit wenig Aufwand an die verbauten Teile. Wie etwa den Akku, der 110 Milliamperestunden fasst und für rund zwei Stunden Spielzeit reicht. Solange habe ich es in Anbetracht der Konsolengrösse von lediglich 5,2 × 3 × 1,2 Zentimeter jedoch nie geschafft durchzuhalten.
Zocken mit dem Thumby Color – noch immer anstrengend
Trotz der brillanten Displayqualität ermüden die Augen schnell, wenn ich länger spiele. Dazu kommt, dass das Drücken der winzigen Tasten mit mittelgrossen Männerfingern nur knapp funktioniert, ohne die Nägel zu Hilfe zu nehmen. Das Spielen ist ein Wechselbad der Gefühle, da meine Faszination für die Miniatur-Konsole gross ist. Ihre Tasten sind jedoch nicht nur klein, sie drücken sich auch eher hart und wackeln dabei. Schüttle ich den Thumby Color, höre ich ein durch die Tasten verursachtes Rasseln.

Das leidvolle und fummelige Drücken hebt automatisch den Level jedes Spiels, sobald es um Reaktion geht. Ich bin zu langsam, um in «Tetris» «Tetrump» annähernd so weit zu kommen, wie ich es gewohnt bin. Genauso werde ich rasch durch die Blasen bei der Umsetzung des Bubble Shooters «Bust a Thumb» erdrückt.

Auf dem Gerät sind bei Auslieferungszustand sowohl Games als auch Demos vorinstalliert. Dass auch Demos dabei sind, merke ich erst, nachdem ich sämtliche «Games» ausprobiere. Weil ich mich wundere, warum ich nicht alle Spielprinzipen verstehe, schaue ich im Internet nach und werde schnell fündig. Es gibt diese Übersicht aller offiziell verfügbaren Games und Demos.

Dort finde ich nicht nur Erklärungen zu den einzelnen, vorinstallierten «Software-Perlen», sondern auch teilweise überarbeitete Versionen und Games, die nicht vorinstalliert sind.

Bei meiner ersten Gaming-Session merke ich, dass die Entwickler ihre Software auch optimieren: Beim Ausprobieren der Demo «Tagged» erhalte ich stets einen Bluescreen of Death, der sich durch ein Software-Update auf eine neuere Version beheben lässt. Wobei mir die Software als Bluescreen-Demo beinahe besser gefiel, als sie es als unfertige Spielidee danach tut. Eine KI versucht mich mehr schlecht als recht daran zu hindern, innert 15 Sekunden drei Dinge einzusammeln.

Leider kein «Doom» – aber dafür «Thoom»
«Doom» läuft bekanntlich auf allem, was einen Bildschirm, Tasten und mindestens den Chip einer Waschmaschine aufweist. Oder doch nur auf fast allem, da es bisher keine Umsetzung für Thumby oder Thumby Color gibt. Dafür gibt es für den monochromen Vorgänger «Thoom». Das läuft, wie alle Spiele, die für Thumby programmiert wurden, auch auf dem Thumby Color. Allerdings füllt es dort aufgrund des anderen Bildformates nicht das gesamte Display aus.
Bereits «Tetrumb» ist eine Herausforderung auf einem solch kleinen Gerät, aber ein FPS-Spiel wie «Thoom» ist für mich beinahe unspielbar.
Du findest sämtliche offizielle, schwarz-weisse Thumby-Software hier.
Selber Games programmieren
Eine weitere Bezugsquelle für Games sind solche, die von anderen Usern oder dir selbst programmiert werden. Da das Internet bei mir primär auf Reddit stattfindet, habe ich voller Erwartung die Thumby-Color-Community besucht. Die besteht jedoch aus erst fünf Mitgliedern, wovon niemand etwas programmiert hat. Solltest du woanders im Netz von Nutzern für den Color programmierte Software finden, bin ich ganz Ohr.

Die Erstellung neuer Software realisierst du entweder offline mit dem Programm Thonny, mit einem im Webbrowser laufenden MicroPython Text-Code-Editor oder dem visuellen Code-Editor Blockly. Die drei verlinkten englischen Dokumentationen bieten neuen Nutzern einen Schritt-für-Schritt-Einstieg. MicroPython ist eine schlanke Version der Programmiersprache Python und wurde speziell für kleine Geräte wie den Thumby Color entwickelt.

Falls du Lust aufs Programmieren hast, bietet der Editor eine simple Oberfläche, die du auch fürs Simulieren der Software nutzt. Dabei hilft es, wenn du dir erst die Grundkenntnisse von Python aneignest. Blockly hingegen soll sich auch für alle ohne Kenntnisse der Programmiersprache eignen.
Ich habe mir alles angeschaut, aber keine Lust verspürt, mich als Softwareentwickler zu versuchen. Sollte das bei dir anders sein, darfst du dein eigenes Game gerne in der Kommentarspalte vorstellen.
Fazit
Kommt in meine Handheld-Sammlung
Der zweite Wurf eines Miniatur-Game-Boy-Klons von TinyCircuits bringt ein grösseres Farbdisplay und einen Lautsprecher. Ausserdem neu sind eine Batterie-LED, eine Menü-Taste, ein Rumbler und aufgrund der Anlehnung an den Game Boy Advance auch Schultertasten mit von der Partie.
Dass die Knöpfe etwas grösser geworden sind, hilft. Beim Spielen funktionieren nur eigens fürs System erstellte Games. Ich kann die Tasten beim Zocken auch knapp ohne Fingernägel bedienen – das macht mich nicht wirklich schneller. Alles am Thumby Color bleibt wie beim Vorgänger Thumby fummelig und schwer bedienbar. Je nachdem auch schwer erkennbar.
Einen grösseren Nutzen dürfte die Mini-Konsole für alle haben, die Lust aufs Programmieren haben. Dank der Dokumentationen des Herstellers und den zur Verfügung gestellten Editoren ist die Einstiegshürde für eigene Games in MicroPython niedrig.
Trotz der Nachteile begeistert mich der Handheld. Dass es überhaupt möglich ist, ein laufendes, so kleines Ding zu bauen, ist ein Wunder. Immerhin tut es abseits von «Reaktionsspielen», bei «Solitaire», «Minesweeper» und «Schach», auch seinen Dienst. Möchtest du eine besser bedienbare Mini-Konsole, die auch Nintendo-Games und Co. abspielt, greifst du jedoch eher zum Anbernic RG Nano. Soll es ein Thumby Color abseits der Farbe Purple sein, findest du bei uns auch eine transparente Version.
Pro
- kleiner, niedlicher Eyecatcher
- funktioniert trotz Grösse (mit MicroPython-Games)
- spielt auch eigens erstellte Software/Games
- lädt zum Programmieren ein
- offene Plattform
Contra
- schwer bedienbar
- erst wenige, explizite Thumby-Color-Games vorhanden



Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.