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Eine etwas andere Art des Gebens

Pia Seidel
29.10.2020

Die Sneakers «Netina» vereinfachen das Teilen unterwegs – ohne Handkontakt. Sie sind so designt, dass sie Öffnungen für das Übliche haben: Tampons, Streichhölzer oder Powerbank.

Seit ich meine Periode habe, verstecke ich Tampons. Zu Hause in einer hübschen Keramikdose und draussen in der Tasche in einem extra Necessaire. Obwohl ich mittlerweile die Menstruationstasse nutze, habe ich im Notfall für Freunde oder mich immer ein Tampon in der Tasche. Warum ich sie wie ein Geheimnis mit mir herumtrage? Weil das irgendwie alle in meinem Umfeld tun. Tampons scheinen etwas zu sein, dass du vielleicht nicht zeigst, aber regelmässig teilst. Das Versteckspiel soll mit den Schuhen Netina, die integrierte Öffnungen für solche Sachen haben, enden.

Etwas ohne Zögern geben

Um soziale Interaktion zu fördern, hat die israelische Designerin Netha Goldberg eine konzeptionelle Schuhkollektion entwickelt, die drei Modelle umfasst. Ein Paar Schuhe bietet Platz für Tampons, ein anderes enthält Streichhölzer und das dritte besitzt eine integrierte Powerbank mit mehreren Anschlüssen. Obwohl die Sneakers nicht käuflich sind und wahrscheinlich ein Kunst- und oder Designobjekt bleiben, interessiert mich, was dahinter steckt.

Wie kamst du dazu, diese Kollektion zu kreieren?
Netha Goldberg: Für das Design der Schuhe hatte ich keine klare Inspiration. Wir nehmen so viele Dinge aus unserer Umgebung auf, dass wir manchmal nicht einmal genau sagen können, woher die Inspiration letztendlich kommt. Bevor mir klar wurde, dass das Ergebnis dieses Projekts Schuhe sein würden, war mein Ziel ein anderes: das Geben und die Interaktion zwischen Menschen zu ermöglichen.

Wie meinst du das?
Ich wünschte, die Menschen würden sich offener begegnen, ohne Vorurteile zu haben. Ich halte es für wichtig, anderen einen Zugang zu unserem Leben zu gewähren. Wir verstehen uns mit uns nahe stehenden Menschen besser. Auch zufällige Interaktionen können deshalb interessant sein.

Inwiefern hat die Idee mit dem Ausbruch von COVID-19 zu tun?
Das Projekt begann einige Monate vor dem Ausbruch der Pandemie. Es zeigt eine neue Art des Gebens ohne Handkontakt, die mehr denn je Relevanz hat. Ich erhalte viele Kommentare zu den Ähnlichkeiten zwischen dem Design des weissen Schuhs mit Streichhölzern und der Form eines Virus. Das war keine Absicht.

Bild: Netha Goldberg
Bild: Netha Goldberg

Besonders auffällig ist der Schuh mit Tampons. Welche Rolle spielt er bei den Begegnungen?
Tampons sind etwas, das wir normalerweise diskret aufbewahren, oft versteckt.Die Tatsache, dass sie wissentlich sichtbar auf den Schuhen dargestellt werden, könnte manche Menschen irritieren. Viele fragen sich, ob die Tampons sauber genug sind. Oder ob sie jemand wirklich benutzt. Stell dir vor, was passieren würde, wenn Männer die Schuhe tragen würden. Wie bereits erwähnt, geht es bei dem Projekt um das Geben. Unter Frauen würde niemand zögern, anderen einen Tampon zu geben. Wieso soll man das nicht zeigen?

Ich habe gelesen, dass das Konzept auch eine App umfasst. Worum geht es dabei?
Die App soll den weiteren Austausch fördern. Auf der Rückseite jedes Schuhs befindet sich ein Barcode. Mit der App scannst du diesen ein und trittst einem sozialen Netzwerk bei.

Bild: Netha Goldberg
Bild: Netha Goldberg

Wie beeinflusst jedes Objekt das Design?
Der weisse Schuh ist mit Stacheln bedeckt, mit denen Streichhölzer gehalten werden können. Dadurch entsteht eine dynamische Energie, die dem Feuer entspricht. Während der rote Schuh das Tampon-Design in einer weicheren Form als für gewöhnlich dargestellt. Der blaue Schuh übersetzt die Energie vom Laden mit starken «energiegeladenen» Farben. Die USB-Plug-ins sind so platziert, dass sie die Art und Weise beeinflussen, wie sich Menschen versammeln.

Wie sind die ersten Reaktionen auf das Projekt?
Das Feedback lässt sich in zwei Lager einteilen: Die einen mögen das Konzept und schätzen die unkonventionelle Denkweise. Andere wundern sich, warum ein solches Konzept existiert. Auf beiden Seiten sind die Diskussion interessant. Ich denke, das ist der Grund für die Beliebtheit des Projekts.

Bild: Netha Goldberg
Bild: Netha Goldberg

Auf deinem Instagram habe ich Fotos von Schokolade gesehen – ist das der Clou fürs nächste Modell?
Während des Designprozesses habe ich mit verschiedenen Objekten experimentiert. Für mich kann es alles sein, was jemand geben möchte und jemand anderes geniessen kann. Das muss auch nichts Körperliches sein.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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