Hintergrund

Ein Teleskop-Test mit Hindernissen

Michael Restin
1.10.2019
Bilder: Thomas Kunz

Ich sehe gerne Sterne. Kopf in den Nacken, grosse Augen machen, klein fühlen und den Anblick geniessen. Das kann der Himmel auf Erden sein. Doch diese Nacht schaue ich mit dem Celestron NexStar 6SE in die Röhre. Das Ergebnis ist kein Review, aber ein Erlebnis.

Aim for the moon. If you miss, you may hit a star.
W. Clement Stone
These things have always been the same. So why worry now?
Dire Straits, 1985

Ich will gar nicht alles ganz genau wissen. Ich staune lieber. Staunen kann ich gut. Und ich habe nicht schlecht gestaunt, was mein Satz «Ich würde gerne mal ein Teleskop ausprobieren» für Folgen hatte. Dabei hatte ich so etwas im Sinn:

Eine Sehhilfe, um gelegentlich ins All zu schielen. Bisschen Mond gucken. Da wollen ja jetzt wieder alle hin, Siedlungen bauen und zum Mars durchstarten. Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt. Elon Musk, der wahnwitzigste Visionär der Wirtschaftswelt. Donald Trump sowieso. So leer wie bisher ist unser guter, alter, blasser Trabant nicht mehr lange. Also: schnell gucken.

Bekommen habe ich kein schnuckeliges Einsteigerrohr, sondern eines, das vielleicht sogar Trump gefallen würde. Ein richtig grosses. Motorisiert, mit Wifi-Adapter und einer Art Natel an der Seite. Das Celestron NexStar 6SE. Verbunden mit der freundlichen Warnung, beim Aufbau vorsichtig zu sein. Es könnte ja runterfallen. Und das wäre nicht gut.

Was zur Hölle ist das denn?

Ich traue mich kaum, es auszupacken. Das NexStar 6SE ist ein Teleskop, dass du dir zulegst, wenn du es ernst meinst. Wenn du verdammt nochmal wissen willst, was Ras Alhauge mit seiner Ursa-Major-Gruppe da oben treibt. Schliesslich werden Kugelsternhaufen mit dem NexStar 6SE bereits teilweise aufgelöst. Es ist allerdings nur das zweitgrösste der Serie, also nichts für Trump.

Irgendwas ist immer

Im Prinzip ganz einfach

Irgendwann, und es ist wie eine Offenbarung, zeigt sich eine dünne Mondsichel über den Dächern der Stadt. Jetzt oder nie. Wie gut, dass ich geübt habe. Ab auf den Balkon. Stativ aufstellen und sichern, Teleskop anschrauben, Okular anbringen, StarPointer aufstecken, Powertank anschliessen, einschalten. Schon steht das Teleskop unter Strom. Ich auch.

Tief in die Krater geschaut

Der Mond ist schnell. Ich beginne zu verstehen, warum die automatische Objektverfolgung, die das NexStar 6SE beherrscht, eine tolle Funktion sein könnte. Für den Moment schwenke ich das Teleskop über die Fernbedienung auf Verdacht in Position und erwische die fahle Sichel gerade nochmal, bevor sie sich mit dem letzten Tageslicht irgendwo im Limmattal hinter dem Horizont verabschiedet.

Live-Ticker aus dem Universum

Ein all-wissendes Ding

Ich blättere mich durch Galaxien und Sternbilder und wähle aus, was spannend klingt. Das hat den nachteiligen Effekt, dass das NexStar bei jedem zweiten Versuch in Richtung Hauswand surrt oder meinen Kopf ins Visier nimmt. Schon blöd, so gar keine Ahnung zu haben, was ich da anwähle und wo am Firmament es sich befinden könnte.

Jupiter, die alte Discokugel

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Der Mond sinkt unbeeindruckt weiter

Ganz geheuer ist uns die Konstruktion nicht. Und der Umgang damit kostet Zeit, die wir nicht haben. Da es uns im Moment nicht um Langzeitbelichtungen, sondern um einen brauchbaren Schnappschuss vom Mond geht, können wir genauso gut das Handy nehmen.

Könnte. Würde. Denkste.

Auf unserer nasskalten Wiese beenden wir den WiFi-Kampf um das Riesenrohr. Genug NexStar Wars. Immerhin sind wir mit unseren Problemen nicht alleine. In der Galaxus-Galaxie hat User frenk51 mit einem anderen Modell ähnliche Erfahrungen gemacht.

Fazit: Ein kleiner Schritt für mich, gar keiner für die Menschheit

Mit meinem Teleskop-Test ist es wie mit der Mondlandung. Für mich eine grosse Sache, dabei war es nur ein winziger erster Schritt in die Welt der Amateurastronomie. Ich habe ein paar faszinierende Eindrücke gewonnen, aber da geht noch so viel mehr. Ich bin Lichtjahre davon entfernt, all die Möglichkeiten, die du mit einem Teleskop wie dem NexStar 6SE hast, zu überblicken. Davon habe ich auch nach ein paar Wochen mit dem Gerät nur eine entfernte Ahnung bekommen.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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