

Ein episches Brettspiel-Abenteuer für Leute mit Fantasie – und viel Zeit

Wenn die Verpackung zum Gewichtheben genutzt werden kann und die Anleitung ein halbes Buch umfasst, weisst du, dass dich schwere Brettspiel-Kost erwartet. Aber lass dich davon nicht abschrecken. Ein Spieleabend mit «Descent: Die Reise ins Dunkel» ist ein unvergessliches Abenteuer.
Ein gemeinsamer Brettspielabend mit Freunden gehört zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen. Dazu grosszügig Speis und Trank und der Spass ist garantiert. Besonders gut gefallen mir aufwändige Spiele, in denen man richtig versinken kann. So eines ist «Descent: Die Reise ins Dunkel» (Zweite Edition).
Seine Wurzeln hat «Descent» wie so viele Fantasy-Rollenspiele in «Dungeons and Dragons». Der Begründer von Pen-und-Paper-Spielen ist die Basis von «Descent». Das heisst, ein Spieler übernimmt den Dungeon Master, hier Overlord genannt. Dieser mimt den Bösewicht, der das Spielgeschehen kontrolliert. Ihm gegenüber steht eine mutige Gruppe aus bis zu vier Abenteurern, die versuchen, die mit Monster und Fallen übersäten Level lebend zu überstehen. Die Abenteurer sind ein Team und kämpfen mit vereinten Kräften gegen den Overlord und seine Schergen.
Kein Bock zu lesen? Kein Problem
Bevor ihr euch ins Abenteuer stürzen könnt, gibt es aber erst eine 24-seitige Bibel zu verstehen. Das ist noch gnädig zu der deutlich komplizierteren ersten Version von «Descent». Weil ich aber keinen Bock hatte, mich einlesen zu müssen, tat ich, was Generation Y in solchen Fällen immer tut: ich suchte Videos auf Youtube. Da findest du zahlreiche praktische Anleitungen in Deutsch oder Englisch, die dir Schritt für Schritt jeden Spielzug erklären. Dauert zwar auch seine Zeit, war aber deutlich interessanter, als selber versuchen zu müssen, solche meist komplizierten Anleitungen zu verstehen. Zwar mussten wir beim Spielen immer mal wieder die Anleitung konsultieren, im Grossen und Ganzen ist man mit der YouTube-Schulung aber ziemlich gut vorbereitet.
Taktisch und zum Anfassen

«Descent»ist ein sehr taktisches Spiel. Die Helden können zwischen acht Charakteren auswählen. Manche zaubern, andere kämpfen mit Äxten und noch andere feuern aus der Ferne Pfeile ab. Der Bösewicht hat je nach Mission unterschiedliche Monster zur Verfügung. Das ganze Spiel ist unglaublich schön designt, von den Karten mit denen der Level ausgelegt wird über die Charakterkarten bis hin zu den detaillierten Helden- und Monsterfigürchen. Letztere sind eine besondere Freude zum Anfassen. Wem das Geld locker sitzt, der kann sich zusätzliche Spezialfiguren dazukaufen, die im Standardspiel sonst nur mit runden Plättchen dargestellt werden. Das Sortiment aus Figuren, Würfeln und Karten hilft der Fantasie gewaltig auf die Sprünge.
Gespielt wird der Reihe nach. Die Helden bestimmen ihre Reihenfolge selber. Oft ist es entscheidend, wer zuerst spielt. In jedem Zug stehen den Spielern zwei Aktionen zur Auswahl. Setzt man noch Ausdauerpunkte ein, ist sogar ein dritter Zug möglich. Der Einsatz der zahlreichen Heldenfähigkeiten, Waffen und Zauber sorgt für extrem viel Taktik. Was mir als Spielleiter besonders gefallen hat: auch dem Overlord stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Mit unterschiedlichen Karten kann er Helden direkt angreifen, die eigenen Monster stärken oder Fallen stellen.

Gekämpft wird mit verschiedenen Würfeln. Sie bestimmen die Angriffstärke, aus welcher Distanz du angreifen kannst oder wie gut du verteidigst. Stirbt ein Spieler – und das passiert nicht selten – kann er sich selber wieder aufraffen oder besser, ein anderer Spieler hilft ihm. Das sorgt dafür, dass nicht plötzlich ein Spieler eine Stunde lang zuschauen muss.
Spielt man die Kampagne, die aus mehreren zusammenhängenden Leveln besteht, erhalten die Helden und der Overlord individuelle Aufträge. So kann es am Ende sein, dass der Overlord sein Ziel erreicht hat, das Spiel aber dennoch in die nächste Runde geht. Dann kriegt einfach der Overlord einen Bonus anstelle der Helden. Der Reiz der Kampagne ist zudem, dass du gesammelte Fähigkeiten und Waffen mitnehmen kannst.
Fazit: Die Einarbeitungszeit lohnt sich
Für die erste Partie solltest du genug Zeit einrechnen. Zwei bis drei Stunden sind schnell vergangen, bis der erste Abspann vorgelesen wird. Wir haben gleich noch einen Level angehängt und erst nach 1 Uhr morgens war der letzte Scherge niedergestreckt. Die Mitspieler sollten also genug Geduld und Spass an Fantasy-Spielen mitbringen. Wir hatten zu fünft einen intensiven und spassigen Abend. Bis zum Schluss gab es zwar immer mal wieder Unklarheiten, aber gemeinsam fanden wir immer eine Lösung.
«Descent» ist extrem vielseitig und taktisch ohne dabei zu überborden. Die Szenarien sind interessant und die acht Charaktere spielen sich sehr unterschiedlich. Es bietet für Spieler, die schon das eine oder andere Rollenspiel gezockt haben, ordentlich Tiefgang und Umfang. Die Regeln hast du nach einer Partie einigermassen verinnerlicht und wenn du eine regelmässige Abenteurer-Truppe aufbieten kannst, wirst du mit «Descent: Die Reise ins Dunkel» jede Menge Spass haben.

Eine kleine Auswahl an optionalen Zusatzfiguren
Wer nicht genug vom Hauptspiel hat, holt sich die Erweiterungen
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.