Hintergrund

DIY-Wand-PC: «Das Teil hat mich beinahe um den Verstand gebracht»

Kevin Hofer
22.1.2020

Das ist mal ein PC, der aus der Masse heraussticht: digitec-Leser Philipp hat einen Wand-PC der Superlative gebaut, der ihn zwei Jahre beschäftigt und beinahe seinen Verstand gekostet hat. Das ist seine Geschichte.

«Hallo, gibt’s bald mal wieder einen Gaming-Setup-Wettbewerb oder so was ähnliches?» fragt digitec-Leser Philipp per Mail. «Hab da was Verrücktes zusammengebaut.» Er fügt einen Link zu seinem Build-Log auf linustechtips ein.

Wow.

Mit vollem Elan an die Sache

Die Einlage besteht aus drei Teilen. Links ist die wassergekühlte Grafikkarte. Im mittleren Teil befindet sich das Mainboard mit zwei lüfterlosen Netzteilen. Der rechte Teil beherbergt vier SSDs und die Pumpe/Reservoir-Combo.

DIY-Massarbeit

Die meisten Teile macht Philipp selbst: Die Glasrückplatte, die Einlage, die Kupferrohre, die Kühlplatten, Distanzhalter, Wandhalterung und sogar den CPU-Wasserblock passt er an, weil es für das Mainboard keinen gibt. «Ich konnte stark auf die Erfahrung und Unterstützung meines Vaters zählen, der selber auch eine CNC für Metallteile hat. Ohne ihn hätte das nicht geklappt.»

Philipp muss an einiges denken. Damit die Konstruktion möglichst dünn bleibt und da die Fittings breiter sind als die Kupferrohre, muss er nebst Befestigungslöchern mit Gewinden Taschen in die Kühlkörper fräsen. Nur so liegen die Kühlkörper flach auf den Bodenheizplatten auf. Im Juni 2017 fräst Philipp die Glasrückplatte und im August desselben Jahres montiert er die Kühlkörper ein erstes Mal darauf. Danach wird es lange Zeit still im Wand-PC-Log.

Irgendwann war der Drive weg

«Ich habe im Geschäft meines Vaters gebaut, wo auch meine CNC steht. Da das zirka eine halbe Stunde mit dem Auto von mir zuhause entfernt ist, kann ich nicht einfach spontan hin, um eine Stunde zu basteln. Oft bin ich auf Probleme gestossen, musste Teile bestellen, Teile zum Eloxieren geben oder auf etwas anderes warten. Und dann hat mich zwischendurch auch die Lust verlassen, weil’s so mühsam war. Es war so viel Arbeit.»

Philipp stellt ebenfalls die Einlage mit den drei Teilen zusammen und verbaut die Komponenten darauf. Trotz aller Planung muss hier und da etwas gebastelt werden. Bei der Grafikkarte kann er nur eine Schraube zur Befestigung verwenden. Er funktioniert kurzerhand die Kühlblock-Abstandshalter um: Die Grafikkarte liegt auf diesen auf und wird von oben durch die einen Schraube an Ort und Stelle gehalten.

Wenn ich Philipps Einträge zum Kabelmanagement lese, werden in mir Erinnerungen an viele Stunden Kabelmanagement wach. Ich kann ihn regelrecht fluchen hören, wenn ein Kabel mal nicht passt. Auch diesen Eintrag von ihm zum Biegen der Acrylglasrohre für den sichtbaren Teil der Wasserkühlung kann ich sehr gut nachvollziehen:

«Ich fokussiere mich darauf, das Projekt endlich zu Ende zu bringen. Ich bin mit der Zeit etwas weniger wählerisch geworden und gebe mich auch damit zufrieden, wenn etwas nicht zu 100 Prozent passt. Die letzten fünf Prozent eines Projekts sind immer die härtesten.»

Ende gut, alles gut

Im Oktober 2019 läuft der PC endlich – und wie. Trotz passiver Kühlung wird die CPU beim simultanen Stresstest mit Furkmark und CPU Burner nach 90 Minuten nur etwas mehr als 80° Celsius heiss. Die GPU wird nicht mal 60° Celsius warm.

Auf den Bildern der Wärmebildkamera ist gut zu erkennen, dass gewisse Kühlkörper nicht heisser werden als die Umgebungstemperatur. Das liegt daran, dass er an diesen die Bodenheizplatten nicht befestigen konnte. Diese Kühlkörper sind daher nur fürs Optische, sie leiten keine Wärme ab. Rund ein Viertel der Kühlfläche wird nicht gebraucht. Umso erstaunlicher sind die guten Werte, die der Wand-PC erreicht.

Philipp spielt jetzt unter anderem «The Witcher 3: Wild Hunt» auf seinem Wand-PC. «Dafür reichen meine Komponenten aus dem Jahr 2017 vollkommen aus. Es geht und ging mir nie darum, ein Powermonster zu bauen, sondern einen Design-PC, der nahezu geräuschlos ist. Es stört mich daher nicht, wenn die Leistung nicht mehr top ist. Der PC hat äussere Werte!»

Das mit der entfernbaren Einlage für LAN-Parties hat Philipp mittlerweile aufgegeben – zu viel Aufwand. Trotzdem ist die Einlage für die Zugänglichkeit praktisch. Obwohl er stolz auf die Früchte seiner zweijährigen Arbeit ist, würde er kein zweites Mal so ein Projekt angehen.

«Ich habe so eine Hassliebe aufgebaut zu dem Teil. Es ist voll geil, aber ich habe sowas von genug davon. Sollte mal ein Fehler auftreten, werfe ich’s gleich aus dem Fenster. Das Teil hat mich beinahe um den Verstand gebracht.»

PS: Alle Bilder und Videos sind von Philipp.

157 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


Gaming
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Computing
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Kupferrohre für eine Custom-Wasserkühlung?

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Gefrierschrank-PC: «Wir wollen die CPU auf konstant 20 Grad Celsius kühlen»

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Jetzt geht’s dem Sleeper-PC an den Kragen: Ich fräse eine neue Aussparung

    von Kevin Hofer