News & Trends

Die Zukunft von Mode-Shootings?

Vanessa Kim
12.5.2020

20-köpfige Fashion Shootings sind zurzeit undenkbar. Nicht nur die Modeindustrie, sondern auch Fotografen müssen umdenken. Ob das auch von zu Hause aus funktioniert?

«Heb dein Kinn und schau etwas mehr nach links.» – klick, klick. Während der Fotograf einem Model Anweisungen gibt, tummelt sich im Hintergrund eine teils 20-köpfige Entourage, bestehend aus Creative Director, Assistenten, Visagisten, Caterer, Stylisten, Moderedaktoren und Co. Szenen wie diese sind in Zeiten von Social Distancing undenkbar. Doch wie sollen die neuen Kollektionen präsentiert werden, wenn Fashion Weeks weltweit abgesagt werden und es in Magazinen keine Modestrecken mehr gibt? Wer überleben will, muss jetzt kreativ sein und schnell handeln.

Not macht erfinderisch

Des Rätsels Lösung ist dieselbe, auf die Gyms setzen: Videodienste wie Zoom, Skype oder Face-Time. Das Prinzip ist einfach: Per Video-Chat tritt der Fotograf mit dem Model in Kontakt. Während er ihr Anweisungen gibt und seinen Bildschirm abknipst, posiert das Mannequin in den Kleidern, die ihm vorab zugeschickt wurden. Klar, glamouröse Settings wie weisse Sandstrände oder eine Villa in Los Angeles fallen weg. Visagisten und Stylisten auch. Von den Lichteffekten ganz zu schweigen.

Ein Paradebeispiel für eine Kampagne, die gerade via Facetimen entstanden ist, liefert der französische Designer Jacquemus: Statt Bella Hadid einfliegenzulassen, liess er das Model in ihrem Zuhause via Facetime inszenieren. Innerhalb weniger Stunden war die low-key Kampagne im Kasten.

Die Sommerkampagne von Jacquemus trägt den Namen «Jacquemus at Home». Bild: @jacquemus
Die Sommerkampagne von Jacquemus trägt den Namen «Jacquemus at Home». Bild: @jacquemus

Nicht nur Luxusmarken denken gerade um, sondern auch günstige Modeketten. Auf Produktbildern sind auffällig oft Wohnungen oder der heimische Garten im Hintergrund zu sehen. Auch Modezeitschriften handeln: Das April-Cover der italienischen Vogue ist notgedrungen ganz in Weiss gehalten. In der Zeitschrift selbst ist ein Shooting zu sehen, das ebenfalls via Facetime entstanden ist.

Auch Fotografen, die nichts mit Mode am Hut haben, bedienen sich dieser Methode. Der britische Fotograf Tim Dunk nutzt die Video-Call-Funktion für Portrait-Aufnahmen. Wie er dabei vorgeht? Während eines Facetime-Anrufs verwendet er sein MacBook zum Schiessen der Bilder. Sein Motiv nutzt vorzugsweise eine iPhone oder notfalls ein iPad. Indem Tim die Taste zum Aufnehmen von Fotos drückt, nimmt Facetime ein 3-sekündiges Video auf, aus dem er Standbilder extrahiert. Anschliessend bearbeitet er die Fotos im Programm Lightroom. Da er seine Models nicht kennt und nicht weiss, wie sie wohnen, bittet er sie erst um eine virtuelle Wohnungsführung, damit er weiss, womit er arbeiten kann. Zudem müssen die «Mannequins» Türen und Fenster bei Bedarf öffnen oder schliessen, um bessere Lichtverhältnisse zu schaffen.

Tim hat auf diesem Bild eine Kundin aus Leipzig in ihrem Zuhause in Szene gesetzt. Bild: @tim_dunk
Tim hat auf diesem Bild eine Kundin aus Leipzig in ihrem Zuhause in Szene gesetzt. Bild: @tim_dunk

Ob es sich bei diesem Trend um eine Notsituation handelt oder ob damit der Grundstein für eine neue Art von Shootings gelegt ist und diese künftig mit speziell konzipierten Programmen aus Distanz stattfinden, steht noch in den Sternen. Bequem und kostengünstig ist diese Vorgehensweise allemal. Ganz zu schweigen vom CO2-Ausstoss, den wir sparen, wenn für jede 10-seitige Modestrecke nicht mehr 20 Nasen herumjetten.

6 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt. 


Mode
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Kommentare

Avatar