
Hintergrund
Zu Besuch im Tierheim: Diese fünf Klischees stimmen nicht
von Darina Schweizer
Der Star der aktuellen Galaxus-Kampagne ist ziemlich haarig und hat seinen eigenen Kopf. Tiertrainerin Tineke van Rheenen erzählt, worauf es bei der Dressur von Katzen ankommt.
Im Gegensatz zur modernen Villa, in der der Dreh unserer aktuellen Werbekampagne stattfindet, ist der Blick hinter die Kulissen ernüchternd. Ich bin etwas enttäuscht, als ich die Tür zum Backstage-Bereich öffne. Ich stehe mitten in einem abgedunkelten Kellerzimmer, in dem drei blaue Klappstühle als Sitzgelegenheit dienen. Dahinter stehen sechs aufeinandergestapelte Tiertransportboxen. In einer davon befindet sich die Katze Princess, der Star unserer aktuellen Galaxus-Kampagne. Ich bin aber nicht für ein Meet and Greet mit der vierbeinigen Schönheit vor Ort, sondern um mit der Tiertrainerin Tineke van Rheenen über ihre Arbeit zu sprechen. Beim Dreh mit Tieren ist nämlich nicht nur am Set, sondern auch backstage absolute Ruhe gefragt, um den Vierbeiner nicht unnötig zu stressen. Darum flüstern wir während des gesamten Interviews.
Bist du mit Tieren aufgewachsen?
Tineke van Rheenen, Tiertrainerin: Nein, obwohl ich mir immer einen Hund gewünscht habe. Betteln half aber nicht, bei meinen Eltern habe ich auf Granit gebissen. Das höchste der Gefühle war ein Goldfisch, mit dem ich aber nicht wirklich etwas anfangen konnte. Mir fehlte die Bindung zu ihm. Als ich etwa zehn Jahre alt war, fand ich auf der Strasse eine verwahrloste Katze, die ich mit nach Hause brachte. Ich durfte sie tatsächlich behalten und bin seitdem nicht mehr von Tieren losgekommen.
Bist du deshalb Tiertrainerin geworden?
Nein, durch Zufall. Ich habe in den Niederlanden an einer Handelsschule unterrichtet. Mit meinem Welpen, einem Belgischen Schäfer, besuchte ich die Hundeschule und absolvierte mit ihm eine Zusatzausbildung nach der anderen. Jede meisterte er mit Bravour. Und weil ein Hund nur so gut wie sein Frauchen ist, wurde ich angefragt, ob ich nebenbei als Hundelehrerin arbeiten will. Dieses Hobby übte ich bis zu meinem Umzug nach England aus. In London wohnte ich in der Nähe von Filmstudios. Dort wurde ich eines Tages beim Gassigehen angefragt, ob mein Hund bei einem TV-Dreh mitwirken möchte.
Wie ging's weiter?
Nach dem Dreh, der mir grossen Spass machte, wurde ich einige Wochen später erneut angefragt. So kam das Ganze ins Rollen. Erst mit Hunden und später mit Katzen. Eines Tages musste ich mich zwischen meinem Beruf und meinem Hobby entscheiden. Zurück in den Niederlanden habe ich meine eigene Firma Animal Artist gegründet.
Welche Voraussetzungen muss ein Tiertrainer mitbringen?
Du musst Tiere nicht nur lieben, sondern auch lesen können. Wenn ich eine Katze ans Set bringe, studiere ich sie genau, sobald sie ihren Käfig verlässt. Die Haltung, die Ohren, der Schwanz und der Gang sind alles Indizien dafür, wie wohl sie sich fühlt. Agiert sie selbstbewusst, ist alles okay und es kann losgehen. Wenn nicht, dauert das Ganze etwas länger, da ich sie beruhigen und ihr mit «good girl» Mut zusprechen muss.
Ist das schon alles?
Es ist zudem von Vorteil, wenn du kreativ bist, die Anweisungen des Regisseurs verstehst und genau weisst, welche Einstellungen die Kamera hat. Es bringt nichts, wenn der Hund zwar Männchen macht, er dabei aber nicht im Bild zu sehen ist. Du musst das Zusammenspiel verstehen und am Set immer gelassen sein. Denn sobald du gestresst bist, ist es auch dein Tier.
Haben deine Katzen bisher alles mitgemacht?
Ja, zum Glück (lacht). Wenn wir beispielsweise einen Katzenfutter-Spot drehen, reise ich mit vier bis fünf Katzen an. Spielt eine nicht mit, drehen wir mit einer anderen. Sobald ich das Skript kenne, weiss ich, ob eine aktive oder eine faule Katze gefordert ist. Für den heutigen Dreh sind wir mit drei Katzen vor Ort.
Was war das Schwierigste, das an einem Set von einer Katze abverlangt wurde?
Mein Kater musste einmal auf einer Sofalehne liegen, seinen Kopf frontal auf die Kamera richten, dabei aber relaxt aussehen und plötzlich auf die Sitzfläche purzeln. Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich das am besten umsetze. Die Lösung: Ich legte meinen Arm der Länge nach neben ihn, damit er sich anlehnen konnte. Ich streichelte und beruhigte den Kater, bis er total entspannt war. Als er schliesslich vergnügt seine vier Pfoten von sich streckte, verlor er das Gleichgewicht und fiel hinunter. Schon hatten wir die Szene im Kasten.
Wie kriegst du die Aufmerksamkeit deiner Katze?
Die Aufmerksamkeit ist wichtig, aber noch wichtiger ist die Bindung zwischen Mensch und Tier. Wenn ich eine Katze noch nie gesehen habe, kann ich sie mit Futter ködern. Eine Bindung habe ich deshalb aber noch lange nicht aufgebaut. Du musst die Beziehung auf ein höheres Level bringen. Das Tier muss an deiner Person interessiert sein, dich spannend, liebevoll und lustig finden.
Filmst du nur mit deinen eigenen Katzen
Ja, alle Katzen, die ich dressiere, leben bei mir. Ich trainiere selten mit einem fremden Tier. Manchmal kommt's aber vor, wenn sich ein Kunde eine spezielle Rasse wünscht, die ich nicht besitze. Ich bin zum Glück gut vernetzt. Dann schaue ich, dass ich das fremde Tier circa drei Wochen vor Dreh zu mir nach Hause hole. Du musst die Katze kennenlernen, damit sie dir ihr Vertrauen schenkt.
Wie viele Katzen trainierst du?
Zurzeit leben 20 Katzen bei mir. Hierfür habe ich im Garten ein Haus mit einer Outdoor- und Indoor-Anlage mit vier beheizten Räumen. Ihnen steht aber auch der ganze Garten zur Verfügung. Ich hole dann abwechslungsweise eine Katze für einige Wochen zu mir ins Haus, um die Beziehung zu jeder einzelnen zu festigen.
Ist das Training mit Hunden einfacher?
Ja, das ist es. Weil eine Katze eigentlich nur das Eigenheim und die Nachbarschaft kennt. Ein Filmset ist für sie ein völlig fremder Ort. Ein Hund ist ja ständig mit dir auf Achse. Er kennt sich bereits mit fremden Umgebungen aus. Darum benötige ich beim Dreh mit Katzen eine zusätzliche Tiertrainerin. Wir verteilen uns auf dem Set und sprechen konstant mit ihr, damit sie sich sicher fühlt.
Für die Drehs bist du oft unterwegs. Wie bereitest du deine Tiere auf den Flug vor?
Das Fliegen ist für Tiere gar nicht so stressig, wie wir annehmen. Sobald ich meine Tiere am Ankunftsort empfange, heisse ich sie lieb willkommen. Ich tröste respektive lobe sie nicht, da sie sonst merken, dass sie gerade eine spezielle Situation durchlebt haben, etwas um das sie sich sorgen müssen. Da Hunde sich nur ungern in ihrer eigenen Box entleeren, gehe ich kurz vor Abflug mit ihnen Gassi und gebe ihnen nur die halbe Futterration. So ist der Magen zwar voll, aber nicht überfüllt. Danach gönne ich mir und den Tieren mindestens einen Ruhetag vor Ort. Denn wenn ich nicht entspannt bin, sind es meine Tiere auch nicht.
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Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.