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D10S mio, was für ein Leben!

Diego Armando Maradona ist als Spieler so hoch geflogen, dass er nie wieder festen Boden unter den Füssen fand. Eine Kino-Doku mit Fokus auf seine Napoli-Jahre zeigt eindrücklich, wie es den Jahrhundertspieler vom Höhepunkt in den Abgrund riss.

Gleich zweimal innerhalb von ein paar Jahrzehnten bündelte sich das gesamte Fussballtalent des Universums, um in einen kleinen argentinischen Körper zu fliessen. Maradona und Messi. Glückliches Argentinien. Wer Messi spielen sieht, muss ihn bewundern. Es geht nicht anders. Doch trotz Hipster-Bart und Tattoos, die ihn in seiner Spätphase schmücken, wirkt er manchmal so, als sei er direkt der Playstation entsprungen. Als hätten seine Programmierer alle Skills reingepackt und dabei Mimik und Charisma vergessen.

Ganz anders bei Diego Armando Maradona. «El Pibe de Oro», der Goldjunge, war und ist das ganz grosse Drama. Der grösste Rockstar und die verletzlichste Seele des Fussballs. Ich habe mir mal ein Buch voller sinnloser Fussballstatistiken gekauft, nur weil auf dem Cover sein himmelgewandter Blick unter den verschwitzten Locken so viel Weltschmerz enthielt, dass er mich nicht mehr losliess.

Von ganz unten nach ganz oben: 1984 kommt Diego nach Napoli – und wird von 85 000 Tifosi im Stadio San Paolo empfangen.
Von ganz unten nach ganz oben: 1984 kommt Diego nach Napoli – und wird von 85 000 Tifosi im Stadio San Paolo empfangen.
Quelle: © DCM Film Distribution

Er hebt die Fussballwelt aus den Angeln

Wer Maradona nur als den aufgedunsenen Irren kennt, der alle vier Jahre bei Weltmeisterschaften über der Brüstung seiner Ehrenloge hängt, muss den Fussballer des zwanzigsten Jahrhunderts dringend besser kennenlernen. Sein Genie und seine Tragik bündeln sich in den Jahren ab 1984, als er den Höhepunkt seiner Kunst erreicht und sich Abgründe auftun. Maradona landet beim SSC Napoli, wird mit Erwartungen und Liebe überschüttet – und hebt trotz allem, was auf seinen Schultern lastet, die Fussballwelt aus den Angeln.

Der Junge aus Buenos Aires’ Armenviertel Villa Fiorito und die vom reichen Norden belächelten Schmuddelkinder aus Italiens Süden, das passt. Es ist Liebe. Eine verhängnisvolle Amour fou. Diego führt Napoli zu zwei Meisterschaften, den ersten und bislang letzten der Vereinsgeschichte. Er holt den UEFA Cup und krönt sich mit Argentinien zum Weltmeister. Es geht höher hinaus als jemals zuvor oder danach.

Diego bejubelt 1987 den ersten «Scudetto», die Meisterschaft mit Napoli.
Diego bejubelt 1987 den ersten «Scudetto», die Meisterschaft mit Napoli.
Quelle: © DCM Film Distribution

Frei ist er nur auf dem Platz

Aus Diego wird Maradona, die Ikone, D10S. Ein von Teufelchen umtanzter Fussballgott, der von der Camorra umgarnt wird und in ein Rockstarleben abgleitet. Drogen und Kontrollverlust inklusive, es ist eine Orgie im goldenen Käfig. Nur auf dem Platz ist er freier als jeder andere. Wer ihn halten will, wird ausgetanzt. Und zur Not hilft die «Hand Gottes». Nach dem Abpfiff ist er wieder Gefangener seines Ruhms. Alle zerren an ihm, bis er sich selbst verliert und Freunde ihn nicht wiedererkennen.

Es gibt Diego – und es gibt Maradona. Für Diego würde ich ans Ende der Welt gehen, für Maradona keinen einzigen Schritt tun.
Fernando Signorini, Weggefährte und Berater Maradonas

Wer die Bilder von damals sieht, sich Genie und Extase verdichtet reinzieht, kann verstehen, warum es so kommen musste. Der britische Regisseur Asif Kapadia hat aus jeder Menge bislang unbekanntem Material nicht einfach einen weiteren Maradona-Highlight-Film zusammengeschnitten, sondern behält auch Diego, den Menschen im Blick. «Diego Maradona» ist nach «Senna» und «Amy» Kapadias dritter Dokumentarfilm, den er einem tragisch geendeten Idol widmet. Mit dem Unterschied, dass Maradona noch lebt. Leider als Karikatur seiner selbst und als Mahnmal für seinen Wiedergänger Lionel Messi. Für den Menschen Messi wird es gut sein, dass er sich nicht in die Seele schauen lässt. Die Maradonas war immer ein offenes Buch. Risiken und Nebenwirkungen kannst du in seinem neuen filmischen Denkmal besichtigen.

Titelbild: © DCM Film Distribution

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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