Produkttest

Warum Kinder und Stars die Schweizer «Girlys» lieben – und ich jetzt auch ein bisschen

Katja Fischer
10.3.2022

Die Federers, Madonna und andere Superstars haben sie zu Hause. Weshalb, wollte ich herausfinden. Denn die Begeisterung für «I’m a Girly»-Puppen war mir ein Rätsel – bis ich hinter ihre Glitzerfassade blickte.

Sie heissen Lucy, Ava oder Jamie. Tragen Glitzer- und Tüllkostümchen, Sonnenbrillen in Herzform, bonbonrosa Handtaschen und Lackschuhe. Und wenn sie an der Sonne sind, ändert sich die Farbe ihrer langen, üppigen Haare.

Mehr girly geht nicht. Deshalb passt der Produktname auch wie die Faust aufs Kulleraugengesicht: «I’m a Girly» heissen die Puppen – oder Fashion Dolls, um im Fachjargon zu bleiben –, die zahlreiche Kinder zu Hause haben. Und die ebenso in ganz prominenten Kinderzimmern stehen: bei den Beckhams etwa oder bei Madonna. Auch die Zwillinge von Roger Federer sollen die Puppen lieben.

Ich dagegen bin skeptisch. Die «Girlys» haben mir von allem zu viel: zu viel Blingbling, zu viel Tüll, zu viel Kitsch. Warum müssen Puppen in einer Zeit, in der intensiv über Genderidentitäten und Sexismus diskutiert wird, die Stereotypen derart zementieren? Muss das noch sein?

Die Kinder designen mit

Muss nicht, sagt mir die «Girly»-Erfinderin, die Zürcherin Theresia Le Battistini. Aber offenbar wollen es die Kids so: Die 42-jährige Gründerin des Labels holt nämlich ihre kleinen Kundinnen und Kunden mit ins Boot und lässt sie über die Produkte mitbestimmen, wie ich erfahre.

Dass ihre Puppen «äusserlich eher weiblich» seien, habe darum mehr mit der Nachfrage der Kinder zu tun. Das Geschlecht spiele dabei keine Rolle. Sich mit Make-up, Fashion und Haaren zu beschäftigen sei eine Vorliebe, die viele Kinder entwickeln, stellt Le Battistini fest, «und zwar Mädchen wie auch Jungen».

Die Schweizer Puppen-Chefin verweist auf eine Besonderheit der «Girlys»: Im Gegensatz zu anderen Fashion-Dolls sei ihr Körperbau neutral gehalten. Auch das ist das Ergebnis des Kinder-Mitspracherechts.

Chloé und Ella ziehen ein

Es fällt mir schwer, die Puppe in eine Spielzeugschublade zu stecken – sie ist weder Baby noch Barbie: Ihr Gesicht sieht nach Teenager aus, ist aber ungeschminkt. Ihr Körper ist normal proportioniert, ohne Oberweite. Ihre Haut fühlt sich weich und hochwertig an.

Während ich diese Zeilen schreibe, hockt Ella neben meiner Tastatur und starrt auf meinen Bildschirm. Ich ertappe mich dabei, wie ich laut mit ihr spreche: «Hey Ella, du siehst fürchterlich echt aus!»

Bäbis bis ins Teenager-Alter

Heute führt Le Battistini ein Team von zehn Mitarbeitenden und ist mit drei Produktlinien und zahlreichen Zubehör-Artikeln im weltweiten Puppengeschäft vertreten. Seit vergangenem Jahr kollaboriert sie mit einer Upcycling-Modemarke und verwendet für die Puppenkleidchen Stoffresten aus der Fast-Fashion-Industrie. Noch dieses Jahr soll ausserdem ein Mobile Game ins Sortiment kommen.

Und: Die Zürcherin darf auf internationalen Star-Support zählen. Gratiswerbung, wie sie betont. Die Posts von Madonna, den Beckhams oder Chrissy Teigen seien «ungeplant und unbezahlt» gewesen. Von anderen Promis würden sie inzwischen direkt angefragt werden für Produkte, «die wir dann natürlich gerne zur Verfügung stellen».

Fazit: Viel Schein und Sein

14 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


Spielzeug
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Produkttest

Unsere Expertinnen und Experten testen Produkte und deren Anwendungen. Unabhängig und neutral.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Ratgeber

    «Mami, bin ich schön?»: Wie du Body Positivity bereits beim Kleinkind förderst

    von Katja Fischer

  • Meinung

    Inklusive Puppen: Barbies Welt wird noch diverser

    von Patrick Vogt

  • Hintergrund

    Faszination Barbie – Auf den Spuren einer Sammlerin

    von Natalie Hemengül