Meinung

Waren die «Gilmore Girls» schon damals unausstehlich?

Angeheizt durch das Gerücht um eine neunte Staffel flimmern die «Gilmore Girls» nach langer Zeit erneut über meinen Fernsehbildschirm. Dabei scheine ich all die Jahre ein wichtiges Detail übersehen zu haben: Sie nerven.

Das beliebte Mutter-Tochter-Duo ist unausstehlich.

Von der Erwachsenen zurück zum Kleinkind

Meins

So startet sie ihr erstes Semester an der Yale-Universität mit einer Affäre mit ihrem unterdessen verheirateten Ex-Freund Dean (Jared Padalecki). Lorelai erwischt die beiden und versucht ihrer Tochter zu erklären, dass sie damit nicht nur sich selbst keinen Gefallen tut, sondern auch Deans junge Ehe gefährdet. Eine der wenigen Momente, in denen Lorelai aus der Rolle der Freundin schlüpft.

Sie ist «etwas Besonderes». Ist sie?

Auch eine Erwähnung wert: Logans Eltern befinden Rory für nicht gut genug. Ein Problem, das Rory bis anhin nur aus der anderen Perspektive kannte, weil ihre Grosseltern alle ihre Ex-Freunde für unter ihrer Würde befanden. Auf diese Demütigung reagiert sie mit dem folgenden Satz: «Ich bin eine Gilmore. Wissen die das nicht?» Ein schwaches Argument für die sonst so debattierfreudige Rory.

Die Gefühle anderer lassen sie kalt

Die achte und letzte Staffel der Erfolgsserie, die Netflix-Fortsetzung «Gilmore Girls: Ein neues Jahr», lässt selbst für überzeugte Rory-Fans keinen Interpretationsspielraum mehr zu: Sie ist ein undankbares Gör – und das im Alter von 32.

Rory vs. Britney

Fassen wir zusammen: Kritik erträgt Rory nicht, geschweige denn einen mütterlichen Rat. Dieser wird in der Serie mehrmals mit einem längeren Kontaktabbruch quittiert. Hat sie Stress mit ihrer Mutter, rennt sie zu den Grosseltern. Sind die Grosseltern das Problem, sucht sie bei Mama Trost. Verantwortung für ihr Handeln übernimmt sie selten. Schliesslich ist immer jemand da, der ihr die Hand oder das nötige Kleingeld reicht.

Weshalb also eiferte mein junges Ich Rory nach?

Im grösseren Kontext war Rory also doch «etwas Besonderes».

Und ich wollte auch etwas Besonderes sein.

No more Gilmore?

Über Rory in ihrer Vorbildfunktion bin ich offenbar hinausgewachsen. Ihre Ignoranz – für mich damals also noch ein Ausdruck der Rebellion, in dem ich mich wiedererkannte – kommt heute dem nervigen Gebrüll eines Kleinkindes gleich, angeheizt durch eine unscharfe Mutterfigur. Je älter Rory wird, desto lauter brüllt sie.

Halfen mir Rory und Lorelai einst dabei, meinen moralischen Kompass auszurichten, so zeigt dieser heute in eine völlig andere Richtung. Glücklicherweise ging meine Persönlichkeitsentwicklung über das Staffelfinale der Gilmores hinaus. So kann ich eine Serie noch so oft anschauen, ich werde sie stets mit neuen Augen betrachten. Die Story bleibt dieselbe. Ich dagegen nicht.

Bilder: IMDb

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Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich. 


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