

Schweizer Buchpreis: Die überraschende Leichtigkeit von Tod und Trauer
Zora del Buono behandelt in ihrem autobiografischen Roman «Seinetwegen» den Tod ihres Vaters und die Trauer und Einsamkeit in ihrer Familie. Das gelingt ihr in einer bemerkenswerten Leichtigkeit und eigenwilligen Erzählweise. Dafür wurde sie nun mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet.
Die Gewinnerin:
Die weiteren Nominierten:
Zora del Buono nimmt mich als Leser mit auf eine Reise in ihre eigene Vergangenheit, in die Geschichte ihrer Familie und in die Schweiz der 1960er Jahre.
1963 starb ihr Vater bei einem Autounfall, sie selbst war erst acht Monate alt. 60 Jahre lang waren der Vater und dessen Tod zwischen ihr und ihrer Mutter, die nie wieder heiratete und nur einmal noch eine relativ kurze Beziehung zu einem anderen Mann pflegte, ein Tabuthema. Das Tabu fällt für Zora del Buono erst, und nur indirekt, mit der fortschreitenden Demenz der Mutter.
Eine assoziative Reise in kurzen Episoden
Und so beginnt sie ihre Suche nach dem Mann, der mit seinem roten, schlecht gewarteten Chevrolet damals in der Linthebene bei einem Überholmanöver ihren Vater getötet hatte – den Töter, nennt sie den anonymen Mann, von dem sie nur die Initialen kennt.
Die Struktur des gut 200 Seiten umfassenden Romans folgt del Buenos assoziativen Gedankengängen auf ihrer Recherchereise. Und Reise ist durchaus wörtlich zu verstehen. Ich begleite sie auf Fahrten über die Unfallstrecke, ins Glarnerland, an ein Oldtimertreffen aber auch zu den Menschen, die den Mann gekannt haben könnten – und zum Teil auch gekannt haben.
Empathie und Vergebung im Angesicht von Tod und Trauer
So sprunghaft diese assoziative Aneinanderreihung auf den ersten Seiten noch scheinen mag, so klar bleibt der rote Faden der Erzählung. Ich verliere weder die Übersicht über das grosse Ganze noch das Interesse an den verschiedenen Gedankensträngen oder Exkursen, zum Beispiel zur Entstehungsgeschichte des VW Käfers (das Auto in dem ihr Vater als Beifahrer sass) oder über die Verkehrsunfallstatistiken aus Deutschland, der Schweiz und der Welt.
Während del Buono auf ihrer Suche stets auch dem Tod, menschlicher Einsamkeit und persönlichen Abgründen auf der Spur ist, so erzählt sie davon in einer Leichtigkeit und mit einer Empathie gegenüber den Menschen, die mich immer wieder überraschen und überwältigen. Selbst der Töter, E.T., entpuppt sich mit zunehmendem Wissen als vielschichtige Person, für die del Buono so etwas wie Sympathie zu empfinden beginnt.
Reue, Wut, Trauer, Verlust, Einsamkeit, Verdrängung – all das behandelt diese Geschichte. Das, was für mich nach der Lektüre von «Seinetwegen» aber alles überstrahlt, ist Vergebung, ist Empathie und ist Erleichterung darüber, dass ein düsteres Kapitel Familiengeschichte in grossen Teilen seine Schwere verloren hat.
Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.
Vom neuen iPhone bis zur Auferstehung der Mode aus den 80er-Jahren. Die Redaktion ordnet ein.
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