Hintergrund

Nachgefragt beim Hersteller: Welche Ideen stecken in euren Schulrucksäcken?

Irgendwann hat der klobige Schulthek ausgedient. Bei Ecom Brands in Hamburg werden Rucksäcke für die Zeit nach den kindlichen Mustern entworfen. Was ist dabei wichtig? Ich habe die Menschen hinter der Marke Audetic getroffen.

Vor dem Schulbeginn kommt der erste Schock. Zumindest für Eltern, die vorher keine Ahnung haben, was ein Thek im Set mit Turnbeutel und Etui kostet. Zwei- bis dreihundert Franken legst du für die gängigen Modelle locker hin – und fragst dich wenig später auch schon, warum. Meine Kinder haben darin in den ersten Schuljahren ein paar A4-Blätter und Stifte durch die Gegend getragen, bevor ab der vierten oder fünften Klasse Schulrucksäcke angesagt waren.

  • Meinung

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    von Katja Fischer

An diesem Punkt setzt Ecom Brands an. Das Unternehmen entwirft und vertreibt unter dem Markennamen Audetic Schulrucksäcke, die nicht dem Klischee entsprechen sollen. Ich bin gespannt, was das heisst – und wie sie sich von den Modellen meiner Kinder unterscheiden. «Klassische Schulrucksäcke sind oft klobig, sehr bunt und noch kindlich bedruckt», sagt Timm von Dressler, CEO von Ecom Brands, den ich am Firmensitz in der Hamburger Innenstadt treffe. «Wir wollten eine Optik, die auch älteren Kindern noch gefällt.»

Timm von Dressler von Ecom Brands.
Timm von Dressler von Ecom Brands.

Audetic ist eine von fünf Marken, um die sich ein Team von 28 Leuten kümmert. Die anderen richten sich mit Rucksäcken und Taschen von Johnny Urban, Expatrié, Oak25 und Larkson an Erwachsene. Deshalb war die Ausgangslage für Audetic speziell.

«Wir entwerfen eigentlich alle Rucksäcke in unserem Design-Team», sagt von Dressler. «Bei Audetic haben wir eine Ausnahme gemacht und eine externe Designerin dazugeholt, die schon Erfahrung im Schulrucksack-Bereich und damals zwei Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren hatte.» Nach den ersten Entwürfen wurden die Rucksäcke dann intern weiterentwickelt. Es gibt drei Modelle. Der Cosmo sticht für mich dabei besonders heraus.

Audetic Rucksack Cosmo (29 l)
Rucksack
CHF79.90

Audetic Rucksack Cosmo

29 l

Audetic Rucksack Cosmo (29 l)
CHF79.90

Audetic Rucksack Cosmo

Mit 29 Litern Volumen ist er vergleichbar gross wie die Satch-Rucksäcke (30 Liter), die meine Kinder und die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen inzwischen tragen. Wir sind ein Beispiel dafür, wie Kunden gekonnt von einer Marke zur anderen gelotst werden.

Was ich bis vor Kurzem nicht wusste: Satch gehört zum gleichen Unternehmen wie Ergobag (hatten wir davor) und Affenzahn (hatten wir im Chindsgi). Offensichtlich machen die Leute dort einen guten Job. Trotzdem gibt es einen Markt, auf dem Ecom Brands sich mit Audetic eine andere Nische sucht und ältere Kinder sowie Jugendliche anspricht.

Der Markenwelt treu geblieben: Bei meinen Kindern ist momentan Satch angesagt.
Der Markenwelt treu geblieben: Bei meinen Kindern ist momentan Satch angesagt.
Ergobag Cubo MRP Set (19 l)
Rucksack
CHF291.85

Ergobag Cubo MRP Set

19 l

Ergobag Cubo MRP Set (19 l)
CHF291.85

Ergobag Cubo MRP Set

Das Konzept: Audetic will erwachsener und günstiger sein

Der Cosmo wirkt, verglichen mit den Satch-Modellen, die ich zuhause täglich aus dem Weg schiebe, weniger wuchtig und verspielt. Zudem ist er günstiger zu haben. «Wir glauben, ein Schulrucksack muss gar nicht so viel kosten und kann trotzdem die wichtigsten Funktionen bieten», sagt von Dressler. Dabei sitzt das Portemonnaie bei (Gross-)Eltern recht locker, wenn es um die Schulausrüstung der Kinder geht.

Schulrucksäcke

Was würdest du für ein neues Modell ausgeben?

Wenn es also auch günstiger geht: Woran wurde beim Cosmo gespart? Mir fällt sofort auf, dass er kein höhenverstellbares Trägersystem hat. «Man muss schon sagen, dass der Rucksack dadurch deutlich teurer werden würde», sagt von Dressler. «Deshalb haben wir uns auch vom Style her eher auf die älteren Kinder fokussiert und wenn ich mich auf dem Weg zur Arbeit umschaue, tragen die wenigsten von ihnen noch einen höhenverstellbaren Rucksack.»

Der Cosmo von Audetic: Die Träger sind fix, die Polsterung ist gut und der Hüftgurt abnehmbar.
Der Cosmo von Audetic: Die Träger sind fix, die Polsterung ist gut und der Hüftgurt abnehmbar.

Da ist was dran. Ich wage sogar zu behaupten, dass auch bei den Jüngeren die wenigsten Trägersysteme regelmässig angepasst werden. Von zehn Kindern hat vielleicht eines den Hüftgurt geschlossen und bei Teenagern hängt der Rucksack einfach irgendwo, bevor er mit Schwung in die Ecke fliegt.

Die Funktionen: Was ein Schulrucksack können muss

Für die Modelle von Audetic ist unter anderem Designerin Louisa Hein verantwortlich, die mit uns am Tisch sitzt. «Uns war sehr wichtig, dass wir ein gut gepolstertes Rückenteil und gepolsterte Träger haben», erklärt sie. «Dazu gibt es noch einen Hüftgurt, fast wie im Bergsport, der das Gewicht verteilen soll und abnehmbar ist.» Den hat das grosse Modell Cosmo, der kleinere Aero begnügt sich mit Rücken- und Trägerpolstern. Und der Flex ist schon so erwachsen, dass er wie ein normaler Tagesrucksack aussieht.

Louisa Hein und Timo Multhaup aus dem Design-Team von Ecom Brands mit den Audetic-Modellen.
Louisa Hein und Timo Multhaup aus dem Design-Team von Ecom Brands mit den Audetic-Modellen.
Audetic Turnbeutel Fit (10 l)
Tasche
CHF30.70

Audetic Turnbeutel Fit

10 l

Audetic Turnbeutel Fit (10 l)
CHF30.70

Audetic Turnbeutel Fit

Louisa Hein öffnet die drei Hauptfächer und zeigt, welche Details im Cosmo stecken: «Inzwischen haben viele Schulkinder ja auch Laptops dabei, deshalb gibt es ein gepolstertes Laptopfach und Platz für die ganzen Schulbücher und Ordner.»

Das ist ein praktischer Unterschied zu unseren Satch-Rucksäcken, die kein spezielles, gesichertes Fach für Notebooks oder Tablets haben, obwohl die Geräte schon genutzt und teilweise auch transportiert werden.

Der Laptop findet im Cosmo am gut gepolsterten Rücken Platz.
Der Laptop findet im Cosmo am gut gepolsterten Rücken Platz.

Neben reichlich Stauraum und einer gepolsterten Handytasche hat der Cosmo ein kleines Organisationsfach und einen Haken für den Schlüssel. Ein guter Ort für seinen Schlüssel ist übrigens das einzige, was meinem Sohn auf die Frage eingefallen ist, was er an seinem Satch-Rucksack ändern würde.

Haken, Reissverschlusstasche und Stauraum für Kleinkram: das Organisationsfach des Cosmo.
Haken, Reissverschlusstasche und Stauraum für Kleinkram: das Organisationsfach des Cosmo.

Generell ist die passende Anordnung der Fächer Geschmacksache und der Umgang damit unterschiedlich. Die einen sortieren jeden Stift, haben ihre Arbeitsblätter im Griff und ein paar Münzen im Reissverschlussfach. Die anderen stopfen einfach alles ohne Rücksicht auf Verluste irgendwo rein. Für sie muss der Schulrucksack vor allem etwas aushalten können.

Das Material: Schule strapaziert nicht nur die Nerven

«Wir haben einen robusten und waschbaren Boden sowie einen wasserabweisenden Reissverschluss, damit Bücher und Laptop nicht nass werden», erklärt Louisa Hein. Dazu bestehe das Hauptmaterial aus recyceltem PET.

«Wir sind seit 2017 mit dem Material unterwegs und haben damit noch keine negativen Erfahrungen gemacht», sagt von Dressler. «Die Hersteller sind es gewohnt, für den europäischen Markt mit recyceltem Material zu arbeiten.» Und die europäische Kundschaft ist es inzwischen gewohnt, «aus recyceltem PET» in der Produktbeschreibung zu lesen. Das ist auch bei Satch der Fall.

Unten ist der Cosmo robust, wasserdicht und mit dezenten reflektierenden Elementen ausgestattet.
Unten ist der Cosmo robust, wasserdicht und mit dezenten reflektierenden Elementen ausgestattet.

Da Ecom Brands die Produkte online vertreibt, gibt es direktes Feedback. «Bei der allerersten Generation unserer Audetic-Rucksäcke hatten wir ein Problem mit den Reissverschlüssen», erzählt von Dressler.

Manche Probleme würden trotz ausgiebiger Tests eben erst nach Monaten oder Jahren auftreten. «Solche Erfahrungen macht man, so entwickeln sich die Produkte mit der Zeit weiter und nach fünf Jahren am Markt sind die Kinderkrankheiten längst behoben.»

Schönes und praktisches Detail: Die Zipper lassen sich schnell finden und gut packen.
Schönes und praktisches Detail: Die Zipper lassen sich schnell finden und gut packen.

Dass das Problem die Reissverschlüsse betraf, wundert mich nicht. Diese stammen vom Weltmarktführer YKK – einem Unternehmen, bei dem ich auch schon mal mit einer Zipper-Beschwerde vorstellig geworden bin und einiges darüber erfahren habe, wie komplex es ist, das perfekte System für ein Produkt zu finden.

  • Hintergrund

    Der Reissverschluss, ein genialer Frustfaktor

    von Michael Restin

Wenn es hier klemmt, nutzt die schönste Optik wenig. Dabei ist die nicht nur Jugendlichen besonders wichtig.

Das Design: zwischen Skater und Bergsport

«Das Design lehnt so ein bisschen an den Skater-Style an und man hat die Möglichkeit, ein Board oder eine Jacke dran zu klemmen», erklärt Louisa Hein mit Blick auf den Strap und die Schalle an der Rückseite des Cosmo.

Nicht nur ein Farbakzent, sondern auch praktisch: Strap und Schnalle am Cosmo.
Nicht nur ein Farbakzent, sondern auch praktisch: Strap und Schnalle am Cosmo.

Der mit 21 Litern Volumen etwas kleinere Aero hat dort einen Gummizug und erinnert eher an Bergsport, obwohl er auf den abnehmbaren Hüftgurt verzichtet. Dafür ist er an Rücken und Trägern gut gepolstert.

«Beide Modelle sind ein Kompromiss, mit dem Eltern und Kinder glücklich sind», sagt von Dressler. Ergonomie und reflektierende Details überzeugen die einen, das Aussehen die anderen. Irgendwann wird dann die kleine Tasche für die Airpods wichtiger, wie sie der Flex hat. Mit dem schlichten Modell ohne dickes Rückenpolster ist die Schulrucksack-Karriere abgeschlossen. Er fällt auch an der Uni oder im Büro nicht auf und soll einfach ein funktioneller Begleiter sein.

Platz für Airpods statt bunter Details: Der Flex von Audetic ist erwachsen.
Platz für Airpods statt bunter Details: Der Flex von Audetic ist erwachsen.

Trotzdem leihe ich mir nicht den Flex, sondern den Cosmo für drei Tage aus und wandere damit durch Hamburg, um selbst einen Eindruck zu gewinnen und ein paar Fotos für diesen Beitrag zu machen. Ein bisschen nach Schule fühlt er sich schon an, fällt aber auch an meinem mittelalten Rücken nicht völlig aus der Rolle.

Zu klein darf der Träger oder die Trägerin tatsächlich nicht sein, der Cosmo ist meiner Meinung nach ungefähr ab 1,50 Metern eine Option – einer Grösse, die die meisten Kinder mit 11 oder 12 Jahren erreichen. Mein Lieblings-Detail sind die Zipper mit ihren farbig verkleideten Pullern. Sie sehen interessant aus, sind gut zu greifen – und im Alltag mindestens so heftig hin- und hergerissen wie ich, müsste ich mich für einen neuen Schulrucksack entscheiden. Darin stecken nicht nur bei den bekanntesten Marken gute Gedanken.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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