
Mäuse meiden Männerduft

Kann Ketamin bei Mäusen antidepressiv wirken? Das hängt unter anderem davon ab, ob ein Mann oder eine Frau das Mittel verabreicht. Der Männergeruch macht den Unterschied.
Eigentlich wollten die Wissenschaftler von der University of Maryland testen, wie Ketamin auf depressive Mäuse wirkt. Studien hatten bereits einen lindernden Effekt nahegelegt. Dem Team um Tedd Gould gelang es jedoch nicht, seine eigenen Ergebnisse sowie die anderer Arbeitsgruppen zu replizieren, und begann dem auf die Spur zu gehen.
In der Rückschau zeichnete sich ein deutliches Muster ab: Hatte eine männliche Versuchsperson Mäusen Ketamin verabreicht, so stellte sich eine antidepressive Wirkung ein. War es hingegen eine Frau gewesen, blieb der Effekt aus. Das Team wusste bereits, dass das Geschlecht des Versuchsleiters die Stress- und Verhaltensreaktionen von Nagetieren beeinflussen kann. Die Gruppe wollte dem nachgehen und startete ein Experiment: Nach dem Zufallsprinzip verabreichte entweder ein Mann oder eine Frau den Tieren Ketamin oder ein Placebo. Anschliessend unterzog ein Dritter die Nager einem Verhaltenstest. Zur Überraschung aller waren tatsächlich nur jene Mäuse weniger depressiv, die das Ketamin von einem Mann bekommen hatten. Um ganz sicherzugehen, wiederholte die Arbeitsgruppe den Versuch mehrmals mit verschiedenen Personen und auch an anderen Universitäten – das Ergebnis war stets das gleiche.
Im Folgenden stellten Gould und seine Kollegen fest, dass Mäuse eine Abneigung gegen den Geruch von Männern und eine Vorliebe für den von Frauen haben. Zudem waren die Tiere stressanfälliger, wurden sie von einem männlichen Experimentator angefasst. Und Stress beeinflusst die Wirkung von Ketamin, wie das Team herausfand: Das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) vermittelt Stressreaktionen und wird im entorhinalen Kortex als Reaktion auf männlichen Duft freigesetzt. Erhöhten die Forscher die CRH-Aktivität, so verstärkte dies den antidepressiven Effekt von Ketamin. Viele weitere unbekannte Faktoren könnten die Ergebnisse beeinflusst haben, wie die Autoren und Autorinnen in «Nature Neuroscience» zu bedenken geben. Sie empfehlen jedoch, im Methodenteil von Tierstudien das Geschlecht des Versuchsleiters anzugeben und wenn möglich diese Variable statistisch zu berücksichtigen. Auch könne die Entdeckung zu neuen Behandlungsansätzen führen, wie beispielsweise die Gabe von Ketamin in Kombination mit Substanzen, die den CRH-Rezeptor aktivieren.
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Titelbild: © unoL / Getty Images / iStock (Ausschnitt) Mäuse reagieren stressanfälliger bei einem Experiment, wenn ein Mann den Versuch durchführt (Symbolbild)


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