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Flaute löste atlantische Hitzewelle aus

Im Jahr 2023 erlebte der Atlantik eine ausgedehnte und bis dahin unbekannte Aufheizung. Inzwischen ist klar, welche Faktoren zur Rekordwärme des Ozeans führten.

Der Sommer 2023 brachte weiten Teilen des Atlantiks aussergewöhnlich hohe Temperaturen: Teilweise lagen die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen um zwei Grad Celsius über dem langjährigen Mittel. Der warme Ozean leistete seinen Beitrag dazu, dass weltweit Temperaturrekorde gebrochen wurden; starke Hitzewellen und Extremwetterereignisse in Europa stehen damit wohl ebenfalls in Zusammenhang. Ein internationales Team um Matthew England von der University of New South Wales hat schwache Winde und die dadurch ausgelöste schlechte Durchmischung des atlantischen Oberflächenwassers als eine der Hauptursachen für die Rekordwärme ermittelt.

Die Arbeitsgruppe hat verschiedene Beobachtungsdaten dazu genutzt, die damaligen atmosphärischen Bedingungen zu rekonstruieren, und damit neu entwickelte Ozeanmodelle gespeist. Der Sommer 2023 war über grossen Teilen des Atlantiks auffallend windstill, so dass sich im Meer eine flache Schicht aus sehr warmem Wasser ausbilden konnte, die von der Sonne aufgeheizt wurde. Winde würden stattdessen dafür sorgen, dass sich das Oberflächenwasser stärker mit darunterliegenden Bereichen vermischt: Ein Wärmetransport in die Tiefe wäre die Folge, die entsprechend unterblieb. Statt den sonst üblichen 20 bis 40 Metern war die oberste Schicht im Mittel nur zehn Meter mächtig; und dort heizte sich das Wasser immer mehr auf.

Verstärkt wurde dieser Prozess regional durch klaren Himmel: Strengere Vorschriften in der Schifffahrt haben die Schwefelemissionen verringert, wodurch die Licht streuenden Schwefelaerosole in der Atmosphäre – und damit die Wolkenbildung – zurückgegangen sind. Mehr Sonnenlicht trifft auf das Wasser und heizt es auf. Auf dem stark von Schiffen frequentierten Atlantik hatte dieser Effekt deutliche Folgen. Dies sei aber nur für einige begrenzte Regionen ein wichtiger Faktor gewesen, schreiben die Forschenden, sonst habe der Einfluss fehlender Winde deutlich überwogen.

Auslöser der Flaute waren offensichtlich verschiedene klimatische Anomalien, schreiben die Wissenschaftler. So hatte sich das über Teilen des Nordatlantiks dominierende Hoch abgeschwächt, was zum Einschlafen der Passatwindzirkulation führte. Das normalerweise konstante Windsystem treibt die Durchmischung des Wassers an. Womöglich sorgten noch weitere Anomalien dafür, dass die Winde kaum oder nur schwach bliesen – über den gesamten Sommer hinweg. Nur regional kam es zu einem Aufleben, stärkerer Durchmischung und sich abkühlenden Wasserschichten, etwa im Juli westlich der Britischen Inseln.

Im Übrigen war selbst eine Region südöstlich von Grönland von der Erwärmung betroffen, die sich seit 50 bis 100 Jahren entgegen dem globalen Trend abgekühlt hat. Das als atlantischer «Cold Blob» bekannte Phänomen wird von der grönländischen Eisschmelze beeinflusst: Das kalte Wasser aus den Gletschern dämpft hier die Temperaturen. Als die Wissenschaftler bemerkten, dass sich sogar dieses Gebiet erwärmte, wussten sie, dass etwas Grosses vor sich gehen muss.

Dass riesige Bereiche des Atlantiks überheizt waren, wirkte sich direkt auf die Atmosphäre und die Umwelt aus: Das warme Wasser begünstigte starke Hitzewellen in Deutschland, Frankreich und Italien. In der Karibik bleichten Korallenriffe grossflächig aus. Und die Hurrikansaison fiel intensiv aus: Die Wärmeenergie aus dem Ozean treibt die Wirbelstürme an. Erstaunlich war zudem die Dauer der marinen Hitzewelle: Sie hielt nicht nur wenige Wochen oder Monate an, sondern reichte bis weit ins Jahr 2024.

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