

Etwas fürs Auge: Toilettenpapierhalter
Wir benutzen ihn täglich und doch schenken wir ihm kaum Beachtung: der Toilettenpapierhalter. Jetzt bekommt das Alltagsobjekt in einer virtuellen Designausstellung seinen wohlverdienten Auftritt.
So skurril habe ich Toilettenpapierhalter noch nie gesehen. Zwar dieses Mal nur virtuell, aber die Bilder allein genügen, um mich zum Staunen zu bringen. Ob als Körperteil oder Selfie-Stick – die zeitgenössischen Entwürfe internationaler Designstudios sind laute Statements auf dem stillen Örtchen. Sie sind manchmal verspielt, oft unbrauchbar und immer etwas seltsam in der Handhabung.
Drunter und drüber

Das Museum Marta widmet dem oft übersehenen Alltagsgegenstand die Ausstellung «Under / Over». Zusammen mit «Plant Paper» – einem baumfreien Toilettenpapier-Start-up – hat es internationale Kreativschaffende eingeladen, ihre Interpretation des Papierhalters zu teilen. Entstanden ist eine Auswahl von mehr als 50 unterschiedlichen Objekten, die vom 12. September bis zum 1. November auf der Website und in den Galerieräumen in Los Angeles zu sehen sind.

Die Papierhalter bewegen sich zwischen Kunst und Design. Sie verzichten zum Teil auf Funktion und kommen einer Skulptur nahe. Da wäre zum Beispiel das käfigähnliche Modell von dem Landschaftsarchitektur-Designstudio Terremoto, das die WC-Rolle «einsperrt» und unbenutzbar macht. Oder der Entwurf «Toilet Tongue» von Studio Bnag, der eine Zunge darstellt. Das Organ gibt dem Klopapier lediglich eine Abstellfläche, aber keinen Halt. Jorge Pénades Design bringt das Toilettenpapier im Gegenzug in Sicherheit, indem er sie festkettet.

Andere Entwürfe möchte ich im Gegenzug gerne ausprobieren. Die Zwei-in-Eins-Lösung von «We Should Do It All» gibt nicht nur der WC-Rolle, sondern auch dem Smartphone einen gebührenden Platz. Das Kreativstudio nimmt mit der speziellen Selfie-Stick-Halterung Bezug auf «unsere Fetischisierung von Selbstversorgung und Individualismus», schreibt es zum Design. «Was ist in unserer Kultur der ständigen Ablenkungen und Dopaminausstösse durch Push-Benachrichtigungen der wahre Kontext unserer Telefone? Kannst du dich von deinem Telefon entfernen, um auf Toilette zu gehen?».

Ich für meinen Teil kann das mit Ja beantworten. Hingegen bleibt für mich offen, ob ich nicht vielleicht einmal einen Akkubohrer mit ins Badezimmer nehmen möchte. Der Toilettenpapierhalter vom Designstudio Ooiee sieht besonders reizvoll aus. Er verleitet zum Spielen. Rollt sich das Papier per Knopfdruck ab? Und wie viel bleibt nach einer Sitzung übrig?

Da steckt mehr dahinter
Zum einen soll mit der Ausstellung das Augenmerk auf den – in Sachen Design – vernachlässigten Gegenstand gerichtet werden. Zum anderen soll sie darüber aufklären, wie WC-Papier entsteht und welche umweltpolitische Rolle es spielt. Seit dem Launch von «Plant Paper» im Jahr 2019 ist der Hersteller bemüht, dem Verpackungsdesign und «der übersehenen Branche eine Stimme zu geben», heisst es im Ausstellungsbeschrieb. «Mit dem Kauf von flauschigen, in Plastik eingewickelten, gebleichten Rollen helfen viele Amerikaner den politisch-konservativen Bemühungen einiger Mischkonzerne wie Koch Institutes». Dieses soll dafür bekannt sein, Bäume umweltschädlich zu fällen und dem Fruchtfleisch giftige Chemikalien zu spritzen. «Plant Paper» ist hingegen ein giftfreies Toilettenpapier. Es besteht aus schnell wachsendem, FSC-zertifiziertem Bambus.


Das Museum Marta zeigt regelmässig in Ausstellungen, was alles in alltäglichen Objekten steckt. Es lässt stille Alltagshelfer laut werden und regt zum Reflektieren an. Spätestens seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist klar: WC-Papier kann schnell rar werden. Kein Alltagsgegenstand ist selbstverständlich. Deswegen verdienen auch sie einen Ehrenplatz.
Ein rares Gut
Nachdem ich die ausgefallenen Designs gesehen habe, bin in neugierig. Was haben die Toilettenbürstenhalter in unserem Sortiment zu bieten? Ähnlich wie bei meinem WC-Bürste-Test stosse ich auf eine Designlücke. Unter den 299 Modellen finde ich lediglich eine Handvoll, die sich optisch von den gebürsteten Nickel- und polierten Chromteilen unterscheiden. Darunter sind figürliche Entwürfe wie ein Gewichtheber oder ein Häuschen. Oder das Regal «Baby Cloud» von Lyon, das das Problem der Klopapier-Lagerung ordentlich löst. Sie machen WC-Papier zum Dekoobjekt.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.