Switzerlan: Von der Kirchen-LAN-Party zum 1000-Gäste-Event an der Suisse Toy
News & Trends

Switzerlan: Von der Kirchen-LAN-Party zum 1000-Gäste-Event an der Suisse Toy

In Bern findet derzeit die Spielemesse SuisseToy statt. Teil davon mit rund 1000 Besuchern ist die grösste LAN-Party der Schweiz, die Switzerlan. Wir haben mit Organisator Manuel Oberholzer über das Revival von LAN-Partys und die bevorstehende Blütezeit vom Schweizer eSport gesprochen.

Wie ist die Switzerlan entstanden und wie ist sie so gewachsen?
Manuel Oberholzer, Organisator, Switzerlan und E-Games: Ich war nicht von Anfang an dabei. Damals hat es mit 20 Nasen angefangen. Sie spielten in einer Turnhalle und sogar mal in einer Kirche. Dann kam die Anfrage von der Suisse Toy, ob wir das nicht bei ihnen machen wollen. Wir waren dann 2014 erstmals in so einem kleinen abgeschotteten Teil der Messe und mussten dort noch die Hälfte abgesperren, weil wir nicht den ganzen Platz füllen konnten. Im vergangenen Jahr waren es dann bereits 500 Leute, aber wir waren immer noch ziemlich abgesondert vom Rest der Messe. Die Leute konnten zwar bei uns reinschauen, aber wir waren nicht wirklich Teil des Gesamtkonzepts. Dieses Jahr sind wir mit knapp 1000 Anmeldungen praktisch ausgebucht.

Manuel Oberholzer ist nicht nur Mitorganisator der Switzerlan er leitet auch das Schweizer eSport-Team mYinsanity

Im Anschluss daran hat uns dann die Messeleitung gefragt, ob wir nicht den gesamten unteren Bereich übernehmen wollten. Wir organisieren also nicht nur die LAN-Party sondern auch die E-Games in der Halle nebenan. Das gab einiges an Mehraufwand. Wir mussten Hersteller akquirieren, Standkonzepte entwerfen und uns am Ende um den Aufbau kümmern. Die LAN-Party war zwar doppelt so gross, aber verkam dabei fast zur Nebensache. Wir haben dann auch gemerkt, dass wir uns professionalisieren müssen. Wir sind eigentlich ein Duo. Mein Kollege Andy Megert ist der Techniker und zuständig für Infrastruktur und hat eigentlich den Lead. Ich bin primär fürs Marketing zuständig, weil ich das auch studiere. Im vergangenen Jahr ging das noch zu zweit, nun sind wir etwa zehn Leute – Freiwillige versteht sich. Wir nehmen die Sache ernst und planen so weit voraus wie möglich. Dieses Jahr haben wir schon im Mai mit der Planung begonnen.

Dieser riesige Andrang ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass LAN-Partys einmal fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden sind.
Das liegt an den Online-Spielen. Früher musstest du als Gamer fast an eine LAN, um Multiplayer spielen zu können. Heute musst du nicht mal mehr aus dem Haus und kannst trotzdem mit Freunden und Gegnern aus der ganzen Welt zocken.Wir positionieren die Switzerlan deshalb ein bisschen wie eine Art Musikfestival für Gamer. Du kommst hierher, um deine Kollegen zu treffen. Das Soziale ist wichtig. Fast wichtiger als das Spielen selbst. Wir haben sehr viele junge Gäste. Unser Stammpublikum, das schon seit Jahren an unsere LANs kommt, ist allerdings etwas älter.

Unser Ziel ist aber bewusst, auch junge Gamer anzulocken und das gelingt mit so grossen Events extrem gut. Bei so einer Location sehen uns auch Familien beim Spielen zu. Meist sind Familien sehr interessiert und wir können uns direkt mit ihnen austauschen. Wir zeigen ihnen, dass eine LAN-Party eine coole Sache ist. Für junge Gamer, die noch nie so etwas gesehen haben, ist der Anblick von 1000 Gamern in einem Raum sehr eindrücklich und überzeugt sie vielleicht auch, mal selber mitzumachen. Wir sehen eine unserer Haupt-Herausforderungen darin, neue Gamer für die Party und so auch neue Talente zu finden.

Die meisten LAN-Besucher sind um die 20 Jahre alt.

Aber LAN-Parties waren sicher grösser in der Vergangenheit: Wir haben Bilder gesehen von einer LAN-Party in der Berner Festhalle. Da waren wohl so 2000 Leute – alle mit ihren fetten Röhrenbildschirmen. Das Bild ist etwa 15 Jahre alt und es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Parties unterscheiden. Ich glaube aber, diese Leute, also das Publikum von damals, kommt heute nicht mehr. Ich war an der Dreamhack in Norwegen. Das ist extrem dort. Dort triffst du auf Achtjährige. Die können noch nicht mal ihren PC selber in die Halle tragen. Das machen die Eltern und stellen ihn dann gemeinsam auf. Im Norden oder allgemein im Ausland ist Gaming viel mehr Teil der Kultur. An der Dreamhack haben sie sogar einen eigenen U18-Bereich (lacht). Das war ein winziger Teil der LAN und dort sahen die Leute aus wie bei uns. An der Dreamhack sind die Teilnehmer im Schnitt viel älter. Daher sieht ihr Junioren-Bereich der Switzerlan recht ähnlich.

Was ist das Schwierigste wenn man so eine riesige LAN organisiert?
Dieses Mal? Netzwerkkabel (lacht)! Wir hatten sie schon vor Monaten bestellt. Am Montag waren sie immer noch nicht da, am Dienstag nicht, am Mittwoch nicht. Der Lieferant hat uns da wirklich verarscht. Wir mussten dann improvisieren und Last Minute noch Kabel kaufen. Keine Ahnung, wo wir die jetzt herhaben – vielleicht von digitec (lacht).

Ein stabiles Netzwerk ist das A und O.

Wer kann bei euren Turnieren mitmachen?
Jeder kann mitmachen. Wir haben etwa 15 Turniere. Nicht überall sind die Topspieler dabei, also hat jeder Chancen auf den Sieg. Es gibt auch Spassturniere wie «Age of Empires 2». Klar, bei «Counter-Strike» und «Hearthstone» sind die Topshots dabei, aber es gibt eine Gruppenphase und man fliegt nicht schon nach dem ersten Spiel raus, wie das im KO-System der Fall wäre.

Ihr veranstaltet diverse Turniere während der LAN. Gleichzeitig bist du Projektmanager vom grössten eSport-Team der Schweiz mit dem Namen mYinsanity. Wie beurteilst du den Trend in der Schweiz?
Esport wächst konstant, aber ich glaube, in den kommenden Monaten wird es einen Boom geben. UPC hat ja mit eSports.ch kürzlich ein neues Portal vorgestellt. Das ist es, was der eSport braucht: Content. Es ist wie beim klassischen Sport. Man braucht Zuschauer und Fans. So finanziert man das Ganze. Man muss darüber berichten und es interessant machen für Fans. Darum, glaube ich, wird eSports.ch extrem helfen. Dann wurde auch noch Saeg gegründet – die Swiss Association for eSports und Gaming. Da ist Raiffeisen Partner.

An den E-Games an der Swisstoy kann man diverse VR-Spiele testen.

Das ist sicher auch ein wichtiges Zeichen, wenn eine klassische Bank wie die Raiffeisen plötzlich auf eSport setzt.
Absolut. Es ist weltweit das erste mal, dass eine Bank eSport sponsert. Bisher waren es die Hardwarehersteller. Dann kamen Coca Cola und Red Bull, was auch Sinn ergibt. Gamer sind grosse Freunde von koffeinhaltigen Getränken. Von Drinks zur Bank oder zu einer Versicherung ist es dann doch ein grosser Sprung – aber wir haben die Mobiliar als Sponsor gefunden. Ich glaube, das Ganze wird im nächsten Jahr ziemlich anziehen in der Schweiz.

Du denkst also, es braucht erstmal ein ordentliches Fundament, um den Sport populär zu machen?
Konkurrenz zum eSport ist echter Sport. Schweizer Sport schaust du zum Beispiel, weil du in Basel wohnst und Fan des FC Basel bist. Du verfolgst den Spielverlauf und die Karriere der Fussballer in den Medien. Überall gibt es Sportredaktionen mit grossen Budgets, die Dokumentation, Homestories und was weiss ich noch alles machen. Man ist Fan der Marke und der Spieler.

Beim eSport ist es das Gleiche. Man schaut den Gamern wegen ihrer Persönlichkeit beim Spielen zu. Wenn du die besten sehen willst, schaust du nicht den Schweizern zu. Die Schweizer brauchen also einen Unique Selling Point (USP). Darum muss man die Spieler vorstellen. Das sind deine Nachbarn oder die Typen aus dem Kaff nebenan. Persönliches ist wichtig. Dann kommen auch die Emotionen und du dann schaltest viel eher ein. Die lokale Szene braucht schweizerdeutsche Caster, die regelmässig über die Bildschirme flimmern und zu Lieblingen der Community werden. In einer so eng geknüpften Szene wie die der eSports hängt alles zusammen.

Nintendo und Sony sind auch mit ihren Spielen vor Ort.

Neben der Switzerlan befindet sich die E-Games-Halle, die ihr ebenfalls organisiert habt. Was gibt es dort zusehen?
Playstation und Nintendo stellen dort ihre Neuheiten vor. Andere Hersteller zeigen ihre Hardware, VR-Brillen und vieles mehr. Als speziellen Event wird ein Drohnenrennen abgehalten. An den meisten Ständen können Besucher selber zocken, auch die Games von Schweizer Entwicklern, die hier ihre Games zeigen. Dann hat es zwei grosse Bühnen für eSport und Entertainment, wo zum Beispiel die Cosplay-Events stattfinden.

Die Suisse Toy hat sich ziemlich gemacht im Game-Bereich, aber im Vergleich zu Deutschland, wo es diverse Game-Events schon seit über zehn Jahren gibt, kein Vergleich.
Die Schweiz ist einfach überall im Rückstand. Das Land ist natürlich auch sehr klein. Wenn ein Aussteller schon in Köln mit einem riesigen Stand ist, kommt er nicht noch mal extra in die Schweiz. Köln reicht schon, um halb Europa abzudecken. Wir sind dennoch überrascht, wie gut es uns gelungen ist, diese Halle zu füllen.

Mehr über Manuel Oberholzers eSport-Projekte findet ihr hier.

28 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar