News & Trends

Hoversurf S3: Das fliegende Motorrad ist Realität. Endlich.

Drohnen sind von gestern. Selbstfahrende Autos auch. Ein russischer Ingenieur hat ein fliegendes Motorrad entwickelt und es ist grossartig.

Alex Atamanov hat einen Stand an der CES in Las Vegas. Wo andere Hersteller und Ideenschmieden auf auffällige Leuchtreklamen und laute Musik setzen, dazu gewagte Standarchitektur, setzt Alex auf billige Absperrbänder aus schwarzem Stoff und ein ausgedrucktes A4-Papier, so halbgut in einen Rahmen auf einem Pfosten eingelassen.

Alex zeigt an seinem Stand ein Hoverbike. Ein fliegendes Motorrad, das er erfunden hat.

«Ich mag kein Papier», sagt Alex mit russischem Akzent.

Er ist in der internationalen Presse als «russischer Elon Musk» bezeichnet worden. An seinem Stand steht er in weissem Hemd, Daunengilet, Anzughosen und schwarzem Daunengilet. Im Interview wirkt er scheu, kann nicht viel Auskunft geben über sein fliegendes Motorrad, das in den Hallen der CES nicht fliegen darf. Ob er das daneben findet, will er auch nicht sagen.

Aber draufsetzen darf sich jeder. Manchmal setzt sich Alex auch auf seinen Hobel und lässt die Rotoren dröhnen.

Im Sattel des fliegenden Motorrads

«Ganz wichtig: Fass nichts an», sagt Alex auf dem Weg vom Absperrband zum Hoverbike, das offiziell Hoversurf S3 heisst.

Auf dem mattschwarzen Flugmotorrad stehen die Worte «Dubai Police», denn die Polizei Dubai setzt die Hoverbikes bereits ein zur Rettung und Suche von Vermissten. Das Hoversurf S3, das an Alex Stand steht, ist kein Modell, kein Demogerät, sondern das echte Teil.

Das Cockpit kannst du dir in etwa so vorstellen wie der Lenker des Batpods aus dem Hollywoodfilm «The Dark Knight Rises». Zwei Joysticks mit je einem kleinen Hebel daran. Du legst dich in den Sattel, der mit sechseckigen Pölsterchen abegeklebt ist. Das S3 macht den Eindruck, dass es kein Gramm zu viel wiegt. Denn mehr als 114 Kilo darf das Vehikel, dessen Body aus einem Stück Carbon Fibre besteht, nicht wiegen. Denn das Hoversurf S3 ist von der US-amerikanischen Flugregulationsbehörde FAA zugelassen. Sprich: Du kannst dir in den USA eines kaufen und dann abfliegen.

Zwischen den beiden Lenk-Joysticks ist ein Bildschirm angebracht, daneben ein Drehknopf. Dieser bestimmt die maximale Flughöhe. Von 10 Zentimetern bis 6000 Metern liegt alles drin. Dann noch drei Kippschalter, die mysteriös mit Abkürzungen beschrieben sind.

«Ich sag dir nicht, wofür die gut sind», sagt Alex mit einem Grinsen.

Auch wenn er im Interview etwas scheu wirkt, er blüht auf, wenn er über sein Hoverbike reden kann. Er trägt schwere Kampfstiefel.

«Ich muss oft die Rotoren ein- und ausschalten. Damit komme ich sicher nicht in die Rotoren, wenn sie drehen.»

Er legt einen Kippschalter um, drückt einen Knopf. Die vier an Armen angebrachten Rotoren drehen auf. Ein Brummen. An meine Beine dringt ein leichter Luftstoss. Ich spüre die Kraft des S3. Da ist ordentlich Power dahinter. Das S3 will arbeiten, will sich bewegen. Alex dreht die Rotoren bis genau zu dem Punkt auf, an dem das S3 noch am Boden bleibt.

Nach etwa einer Minute fühlt sich das S3 vertraut an. Ich meine, dass ich das Ding sicher vom Boden kriegen würde. Das Bike stabilisiert sich selbst in der Luft. Nach drei Tagen Instruktion – kein Kauf darf ohne den dazugehörigen Kurs abgeschlossen werden – soll jeder, der Fahrrad fahren kann, das Hoversurf beherrschen und mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde bis zu 50 Minuten fliegen. Dann ist der Akku leer.

Ich will all die Knöpfe drücken. Irgendwo wird der Knopf zum Abheben sein. Es kommt nicht oft vor, dass ich so versucht bin, gegen Vorschriften zu verstossen. Das Hoversurf S3 ist ein Traum, eine Zukunftsvision aus einem Science-Fiction-Film der 1960er-Jahre. Etwas, auf das ich schon seit Ewigkeiten gewartet habe, das aber nicht gewusst habe. Ich bin überzeugt: Die Welt braucht Hoverbikes.

Alex kennt den Ausdruck in meinem Gesicht wohl schon zu gut. Wohl auch aus dem Spiegel. Er schaltet die Rotoren ab. Ich will nicht absteigen, muss aber. Ich habe auf der Zukunft gesessen und muss wieder in die Gegenwart zurück. Ich will nicht.

Der Junge, der sich ein fliegendes Bike gebaut hat

Wenn Alex selbst auf dem Bike sitzt, dann weiss er genau, wie er sein Gewicht verteilen kann, damit er die Rotoren schneller rotieren lassen kann ohne abzuheben. Der Spass dabei ist ihm ins Gesicht geschrieben. Obwohl sein blondes Haar leicht angraut, ist in seinem Gesicht jugendlicher Unfug zu sehen. Das ist kein Elon Musk, kein grosser Erfinder, kein Visionär. Das ist ein russischer Bub mit einer Idee. Daher beantwortet er die Frage nach dem Wieso kurz und knapp.

«Das Teil ist ein Bubentraum von mir.»

Mehr muss er nicht sagen. Jeder, der diese Antwort hört, ihn mit seinem S3 sieht, weiss, was er meint. Klar, Alex wäre froh, wenn er viel Geld mit seiner Erfindung machen würde, aber es ist offensichtlich, dass die ganze Hoversurf-Sache komplett okay für ihn wäre, wenn da nur ein Bike auf der Welt existieren würde und er damit herumfliegen könnte.

Ein Interview mit ihm? Er steht gerne Red und Antwort, kann aber nicht viel zu den technologischen Details sagen.

«Du verstehst, warum ich viel geheimhalten will. Gestern waren Vertreter von etwa drei Militärs und x Industrielle da», sagt er.

Einiges ist aber auf dem einen A4-Papier abgedruckt. Der Akku leistet 12.3 KWh und in 150 Minuten ist der Akku geladen. Jeder der Motoren leistet 30 kW, jeder Propeller hat drei Flügel und einen Durchmesser von 120cm. So kriegt das Hoverbike einen Hub von 364 Kilogramm hin, davon sind 114 Kilo die Maschine selbst. Dazu der Pilot von etwa 100 Kilogramm. Der Rest kann an einem Haken unten am S3 befestigt werden. Rettungsoperationen mit Bahre oder Lieferungen von Hilfsgütern sollen kein Problem sein.

Bewaffnung erwähnt Alex nicht. Ihm ist unwohl, wenn er darauf angesprochen wird. Nicht, weil es unmöglich ist, das Hoverbike zu bewaffnen. Sowohl die M249 Saw, das Standardmaschinengewehr eines Apache-Helikopters, wie auch die M61 Vulcan, das am weitesten verbreitete Drehmaschinengewehr, wären leicht genug, um am S3 befestigt zu werden. Aber Alex, so bekommen Zuhörer das Gefühl, hat irgendwie nicht daran gedacht. Und will wohl auch nicht daran denken, auch wenn ihm klar ist, dass die Militärs dieser Welt scharf auf sein Vehikel sind.

Wir verabschieden uns. Ich schiesse noch ein Foto mit meinem Huawei Mate 20 Pro.

«Ist das das neue Huawei», fragt Alex.

Ob er es sich mal ansehen dürfe, fragt er. Da steht ein Mann, der ein fliegendes Motorrad erfunden hat, und er findet das interessanteste am Stand mit seiner Erfindung das Handy eines Journalisten. Ich drücke es ihm in die Hand und sage, dass ich es gegen ein Hoverbike tauschen würde. Das hört Alex aber schon nicht mehr, denn er muss seinen Kollegen das Phone zeigen. Ich und Videoproduzentin Stephanie Tresch verstehen die Welt nicht mehr. Er testet die Kamera und vergisst kurz, dass er der Mann ist, der uns allen zeigt, wie die Zukunft aussehen wird.

Fünf Minuten später habe ich mein Handy zurück. Wir lassen die Zukunft hinter uns. Während dem Rest des Tages hören wir uns selbst immer wieder sagen «Wenn wir jetzt ein Hoverbike hätten…»

Alle Artikel zur CES 2019 findest du hier.

34 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar