Ganz und gar so-la-lar: Der Solarkocher Sungood im Test
Produkttest

Ganz und gar so-la-lar: Der Solarkocher Sungood im Test

Das Prinzip, Sonnenstrahlen zu bündeln, ist einfach, einfach genial und altbekannt. Schon Archimedes soll der Legende nach mit Brennspiegeln feindliche Schiffe abgefackelt haben. Ich hingegen will einfach nur Pasta kochen. Geht das mit diesem freundlichen gelben Spiegelkabinett aus Frankreich?

Sie wollen die Guten sein, das spürt man. Gatien, Guillaume und Gilles sind die Macher des Pariser Start-ups «Solar Brother» und sammeln mit ihren nachhaltigen Ideen Sympathiepunkte. Auf ihrer Webseite bieten sie neben Rezepten auch Anleitungen für DIY-Kocher an und berichten, dass sie Solar-Kochworkshops in Afrika unterstützen. Da bin ich gerne bereit, über die semiprofessionelle Übersetzung der Gebrauchsanleitung («Leben Sie nicht Lebensmittel direkt auf Grid») hinwegzusehen.

Das purzelt aus der Packung:

  • ein grosses gelbes Plastikteil
  • 11 x selbstklebende Spiegelfolie
  • ein Topfuntersetzer aus Metall
  • zwei Kochbeutel im Baumwollbeutel
  • eine Baumwoll-Tragetasche
  • die Anleitung mit drei Beispiel-Rezepten

Bastelstunde: Das 11-Teile-Puzzle

Ausgefaltet erinnert der Solar Brother in seiner Form an ein altes Telefon. Die gelbe Basis besteht aus elf Plastikelementen, die gegeneinander zu falten sind. Bevor es damit losgehen kann, musst du noch die Reflektorfolien zurechtpuzzeln, aufkleben und andrücken. Das ist kein Hexenwerk, aber etwas fummelig und zum Glück nur vor dem ersten Einsatz nötig. Der normale Aufbau soll nur ein paar Sekunden dauern.

Bekleben musst du den Solarkocher selbst.
Bekleben musst du den Solarkocher selbst.
Vorteil: Die Spiegelfolie lässt sich bei Bedarf ersetzen.
Vorteil: Die Spiegelfolie lässt sich bei Bedarf ersetzen.

Ärger beim Aufbau

Beim ersten Versuch, den Solarkocher aufzubauen, kämpfe ich mit dem widerspenstigen Plastik. Es will einfach nicht in Form bleiben, wenn ich die Seiten nach innen falte und die Lasche in einen der drei Schlitze schiebe. Während die steile Rückwand recht stabil steht, soll sich die sonnenzugewandte Seite damit in drei verschiedenen Positionen fixieren lassen. Je nach Sonnenstand flacher oder steiler. Ich brauche die steilste Position, denn es ist zwölf Uhr mittags und die Sonne steht im Zenit. Keine Chance. Vorerst muss ich mich mit der mittleren Position zufriedengeben und darauf warten, dass das Plastik geschmeidiger wird. Zumindest steht der Kocher. Und während ich ihn zur Sonne ausrichte, spüre ich die Hitze, sobald mich ein paar reflektierte Strahlen streifen. Also Sonnenbrille auf und ausprobieren!

Die Rückseite steht stabil und lässt sich bei Bedarf mit Heringen fixieren oder Steinen beschweren.
Die Rückseite steht stabil und lässt sich bei Bedarf mit Heringen fixieren oder Steinen beschweren.
Die Vorderseite soll sich in drei Stufen einstellen lassen – das funktioniert weniger gut.
Die Vorderseite soll sich in drei Stufen einstellen lassen – das funktioniert weniger gut.

80 bis 150 Grad? Wirklich?

Funktionieren soll der Solar Brother Sungood unabhängig von der Aussentemperatur, im Winter wie im Sommer. Hauptsache die Sonne scheint. Der Hersteller empfiehlt einen dunklen Topf – das leuchtet ein – und verspricht Kochtemperaturen zwischen 80 und 150 Grad. Da bin ich noch skeptisch. An diesem Tag im Mai haben sich die Wolken gerade erst verzogen, das Thermometer klettert knapp über 20 Grad. Ich gebe 3dl Wasser in einen Campingtopf und platziere ihn auf dem mitgelieferten Gitter in der Mitte des Kochers, der auf meinem Balkontisch steht. Zusammengebaut misst er stolze 91 x 55 x 35 cm. Aussen gelbes Schiff, innen Discokugel.

Ein dunkler Topf muss es schon sein, um auf brauchbare Temperaturen zu kommen.
Ein dunkler Topf muss es schon sein, um auf brauchbare Temperaturen zu kommen.

Café del Sol – ein Genuss!

15 Minuten später ist der Topf warm, das Wasser lau. Viel ist nicht passiert. Dafür gelingt es mir nun endlich, das Plastik in die richtige Position zu zwingen. Ich richte den Kocher neu aus und widme mich anderen Dingen. Eine halbe Stunde später verbrenne ich mir die Finger. Das Wasser kocht zwar nicht, aber dampft mir doch so warm entgegen, dass ich mir einen Espresso damit zubereite. Der wird natürlich nicht perfekt, aber das Solar-Gefühl ist super. Ohne Strom, Gas oder Feuer auszukommen – das macht Spass. Ich will mehr!

Von der Sonne erhitzt, von Hand gepresst – grüner kann Kaffeezubereitung nicht sein.
Von der Sonne erhitzt, von Hand gepresst – grüner kann Kaffeezubereitung nicht sein.
Jetzt hält das heikelste Teil: Die Höhenverstellung ist fummelig und fiel anfangs immer auseinander.
Jetzt hält das heikelste Teil: Die Höhenverstellung ist fummelig und fiel anfangs immer auseinander.

Von Wolken auf Diät gesetzt

Gegen 17 Uhr baue ich den Kocher im Garten auf. An die mitgelieferten Rezeptideen (Minestrone, Grissini, Muffins) traue ich mich noch nicht ran. Ich will wissen, ob die Sonne heute noch ein paar hauchdünne Crêpes hergibt. Das Schöne am Solarkochen ist, dass man bedenkenlos weggehen kann. Nichts brennt, nichts qualmt und ausser dem Topf im Inneren wird auch nichts heiss. Ab und zu mal nachsehen und den Solar Brother wieder etwas zur Sonne drehen, das ist alles. Weniger schön ist es, wenn sich dann doch eine Wolke vor die Sonne schiebt. Es duftet zwar schon ein wenig, aber die Crêpes kann ich vergessen.

Der Kochbeutel als letzter Joker

Als sich die Sonne ein paar Tage später endlich wieder blicken lässt, bin ich bereit. Pfingstmontag, 24 Grad und keine Wolke weit und breit. Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich suche Pasta mit möglichst geringer Kochzeit (5-7 Minuten), schneide Zucchetti und Rüebli klein. Das Wasser schafft es nach 30 Minuten zwar wieder nicht bis zum Siedepunkt, aber egal – rein mit den Zutaten. Ich habe ja noch den Kochbeutel als letzten Joker.

Den ziehe ich auch, als nach 45 Minuten die Pasta noch nicht durch und beim Gemüse praktisch nichts passiert ist. 120 bis 150 Grad sollen mit dem dünnen Knistersack drin sein, der einfach über den Topf gestülpt und zugebunden wird. Mir würden schon 100 reichen, aber auch nach weiteren 25 Minuten kocht nichts – und meine Begeisterung ist etwas abgekühlt. Heute gibt es aufgeweichte Pasta mit lauwarmem Gemüse.

Kein Glück mit dem Plastik-Trick: Der Kochbeutel hilft mir auch nicht entscheidend weiter.
Kein Glück mit dem Plastik-Trick: Der Kochbeutel hilft mir auch nicht entscheidend weiter.
Man kann's essen – mehr Spass habe ich allerdings mit meinen verzerrten Spiegelbildern.
Man kann's essen – mehr Spass habe ich allerdings mit meinen verzerrten Spiegelbildern.

Fazit:

Brauchst du den Solarkocher? Nein. Für 89 Franken bekommst du ein fröhlich gefärbtes Stück Plastik, dass deine Geduld manchmal ziemlich auf die Probe stellt. Lässt sich trotzdem Spass mit dem Solar Brother haben? Ja! Ich bezweifle nicht, dass man bei guten Bedingungen und mit etwas mehr Erfahrung damit kochen kann. Nur ist das eben nicht so simpel, wie die Eitel-Sonnenschein-Anleitung des Herstellers suggeriert. Wenn du Freude am Grundprinzip hast und gerne experimentierst, dann kannst du zugreifen. Wer Geschwister hat weiss: Es ist nicht immer einfach. Trotzdem kann man sie gerne haben. Das gilt auch für den Solar Brother.

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Sportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.


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