Es weihnachtet sehr – des einen Freud, des anderen Leid
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Es weihnachtet sehr – des einen Freud, des anderen Leid

Raphael Knecht
19.12.2017

Die weisse Pracht verstopft Strassen, Tunnels oder Flughäfen und stürzt die SBB völlig unerwartet ins Chaos. Zimt, Koriander und Angebranntes dominieren die Duftpalette im Büro und zu Hause. Funkelnde Sterne und glitzernde Kugeln heben den Begriff des Geschmacklosen auf ein neues Level. Endlich ist sie da: die Weihnachtszeit!

«Mal wieder weisse Weihnachten, das wäre doch toll», hallt es durchs Büro. Im selben Atemzug verflucht der selbsternannte Weihnachtsmann und Arbeitskollege dann den hiesigen ÖV-Monopolisten. Schon wieder war der Zug 34 Sekunden zu spät. Ich flüchte vor seiner Hasstirade und begebe mich in den Aufenthaltsraum, wo ein zerfetzter Panetone um den Gnadenstoss fleht. Die im Halbkreis versammelten Weihnachtsguetzli wohnen dem Schauspiel bei, die Zimtschokolade schmilzt vor lauter Spannung dahin. Den Tränen nahe, schalte ich die rote Blink-Nase auf meinem Rudolph-Pullover ein und atme tief durch. In diesem Sinne: Have yourself a merry little christmas.

Advent, Advent, der Christbaum brennt

Heller, greller und geschmackvoller. Ha, schön wär's. Ich habe langsam das Gefühl, dass Weihnachtsbeleuchtungen gar nichts mehr mit Stimmung, Freude und Zusammensein zu tun haben. Das Ganze ist zu einem erbitterten Lichterwettstreit verkommen, aus dem niemand als Sieger hervorgehen wird. Sorry, Tim Taylor, auch du nicht. Nicht dieses Jahr. Wo sind die guten, alten Zeiten geblieben, in welchen die Familie hunderte selbstgezogene Wachs-Kerzen auf die dürre Weihnachtstanne gepfercht hat? Familie vor, noch ein Tor. Und stets mit der leisen Hoffnung, dass das grosse Feuer erst am Silvesterabend stattfindet.

  • Hintergrund

    Advent, Advent, der Christbaum brennt!

    von Aurel Stevens

Schnee- und Blech-Lawinen

Den Disclaimer gleich vorneweg: Ich liebe Schnee. Ich könnte 365 Tage lang Winter haben. Egal, ob die Züge fahren. Egal, ob ich friere. Egal, ob ich drei Stunden für die Schneeketten-Montage brauche (für einen Pneu, wohlgemerkt). Schnee ist wie eine Droge für mich. Das weisse Gold. Auch die Symptome passen: Bereits nach zwei Flocken bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Leider stehe ich damit ziemlich alleine auf weiter Flur. Verwünscht, ausgelacht und ausgestossen – Bigfoot und ich haben inzwischen bereits eine Selbsthilfegruppe gegründet. Aber ich verstehe euch Schnee-Gegner: Schnee führt zu Staus, zu Verspätungen und zu Unfällen. All dies wiederum führt zu Ärger, Wut und abgrundtiefem Hass. Müsste ich in den Wintermonaten jeden Tag in dieser Gemütslage starten, könnte ich ebenfalls für nichts garantieren.

Weihnachtsschoggi, soweit der Hase hoppeln kann

Die nächste Story spielt dort, wo sich Samichlaus und Hase «Gute Nacht» sagen. Du weisst nicht, wo das ist? Ganz simpel: in jedem grösseren Detailhandelsgeschäft. Für mich scheint es so, als ob die Osterhasen den Samichläusen den Platz warmhalten. Und vice versa, selbstverständlich. Jetzt, da ich darüber nachdenke, wird mir einiges klar: Es gibt eigentlich nur Oster- oder Weihnachtsschoggi in den Shops. Erstere von Januar bis April und letztere von Mai bis Dezember. Wahrscheinlich werden nicht verkaufte Osterhasen zu Samichläusen. Und dann wieder zu Osterhasen. Also, los, esst mehr Schokolade!

Stille Nacht, heilige Nacht

Ich verstehe die Message dieses Songs bis heute nicht. Oder, besser gesagt, habe ich diese stille Nacht noch nie erlebt. Der Baum brennt lichterloh, die Geschenke lösen sich in ihre ursprünglichen Bestandteile auf, der glühend heisse Kakao verbrennt meine Mundhöhle – es könnte gemütlicher nicht sein. Da kräht aus irgendeinem Speaker auch schon die Maria(h) – ja, leider die falsche – Carey: «All I want for Christmas is youuu...» Oh, was ist denn das für ein superschönes Lied? Das klingt ja megalässig. Und vor allem ist es brandneu! Wieso? Nein, im Ernst: wieso?

All you can eat

So viel essen, wie du kannst: Streng genommen verliert jeder, der sich auf einen solchen Deal einlässt. Ausser an den Festtagen. Denn während zwei bis drei Wochen frisst du da tatsächlich alles in dich hinein, was irgendwie reinpasst. Das Schlimme daran ist, dass du es oft gar nicht bemerkst. Hier ein trockenes Mailänderli, da eine angelaufene Schoggi und dort eine verbrannte Mandel. Das noch Schlimmere sind die Kalorien, die du in den 365 folgenden Tagen wieder loswerden musst. Die Fitnesscenter erweitern bereits ihre Eingangstüren. Und das Schlimmste: Es geht dir nicht besser dabei. Oder davor. Oder danach. Wie heisst es so schön: «Shit in, shit out.»

Wo ist Walter?

Die hässlichsten Pullover der Welt

Ja, es ist wieder so weit: raus aus dem Schrank und auf die nächste Party damit. Denn dieses eine Mal im Jahr darfst du es tun – stolz deinen oberhässlichen Weihnachtspullover mit Rentier-Emblem, in grellgrüner Farbe und doofem Spruch drauf tragen. Gemäss Pia muss dein Sweater mindestens dreifarbig sein, die Farbe Rot beinhalten, möglichst viele verschiedene Muster aufweisen, kratzig und selbstgestrickt sein sowie üppige Weihnachts-Illustrationen zeigen. Ist auch nur eines dieser Kriterien nicht erfüllt, wird dein Pullover zum Festtags-No-Go.

  • Produkttest

    Wenn du einen hässlichen Weihnachtspullover kaufst, lass es einen von diesen sein

    von Pia Seidel

Ein schrecklich nette Familie

Endlich kriegst du die 20 Franken deines Onkels zwölften Grades, die er dir vor 15 Jahren an deinem 27. Geburtstag im Suff zugesagt hat. Versprochen ist versprochen! Und die herzallerliebste Urgrossmutter fällt ein letztes Mal auf deinen Enkeltrick herein. Es ist ja schliesslich Weihnachten. Auch das schwarze Schaf der Familie darf sich ausnahmsweise an denselben Tisch gesellen und über uralte Witze und oberlangweilige Geschichten lachen. Weihnachten, das Fest der Liebe. Das Schlusswort überlasse ich dem berühmt-berüchtigten Poeten, Frauenversteher und Life Coach: Ladies and gentlemen, Al Bundy.

Titelbild: Wer's glaubt, wird selig.

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Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben. 


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